Mittelbayerische Zeitung: Russland ist außen vor
Der Rausschmiss aus der Runde der weltgrößten Industrienationen hat Moskaus Isolation zementiert. Leitartikel von Hanna Vauchelle
Regensburg (ots)
Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der sieben stärksten Wirtschaftsnationen heute in Brüssel treffen, ist nichts so, wie es hätte sein müssen. Eigentlich hätte der Gipfel unter russischer Führung in Sotschi stattfinden sollen. Doch seit die Ukraine-Krise schwelt, hat Moskau das Vertrauen der westlichen Partner verloren. Aus gutem Grund: Die Annexion der Krim war völkerrechtswidrig. Zudem gibt es in der Ostukraine immer noch Kämpfe zwischen Separatisten und Sicherheitskräften. Daran wird US-Präsident Barack Obama die Partner heute erinnern. Die EU muss von ihrer Vermittlerrolle wieder Gebrauch machen. Die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine sind ohne größere Probleme über die Bühne gegangen. Der neue Kiewer Staatspräsident Petro Poroschenko wird am Wochenende seit Amt offiziell antreten. Fast schon - so scheint es jedenfalls - ist es ruhig geworden in Europas größtem Flächenstaat. Doch der Eindruck täuscht. Tatsächlich eskaliert die Lage in der Ukraine weiter. Täglich gibt es neue Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und den ukrainischen Militärkräften. Von einer Entspannung der Lage kann also keine Rede sein. Dafür muss den Staats- und Regierungschefs der G7 heute auffallen, dass sich Russland nach wie vor um seine in Genf getroffenen Zusagen drückt. Zwar sieht es danach aus, als würde Moskau seine Truppenstärke an der Grenze zur Ukraine endlich reduzieren. Doch auf die Entwaffnung der Separatisten, wie sie in Genf vereinbart worden ist, wartet der Westen seit Wochen vergeblich. Wladimir Putin hat hiermit erneut gezeigt, dass er das Vertrauen der Partner zu Recht verloren hat. Doch zu welchem Preis? Auch wenn es in diesen Tagen aufgrund Putins Teilnahme an den D-Day-Feierlichkeiten in Frankreich nicht danach aussieht: Russland ist derzeit isolierter als jemals zuvor. Darüber kann weder die mit großem Pomp gegründete Eurasische Wirtschaftsunion mit Weißrussland und Kasachstan hinwegtäuschen, noch der Gas-Deal mit China. Moskau will verbissen demonstrieren, dass es noch andere Optionen als den Westen hat. Damit will Putin wohl vergessen machen, was er sich mit der Krim-Krise eingebrockt hat. Schlug er bei einem der letzten offiziellen Treffen mit der EU noch die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes von der Atlantikküste bis an die russisch-chinesische Grenze vor, erscheint heute der bloße Gedanke daran als irrwitzig. Stattdessen wird der Kreml-Herr dabei zusehen müssen, wie Europa und die USA ihre Freihandelszone vereinbaren. Inwiefern russisches Gas dann noch in Europa gebraucht wird, muss sich zeigen. Russland hat auf die Gespräche jedenfalls keinen Einfluss und wird so schnell auch keinen Zutritt zum weltgrößten Verbrauchermarkt bekommen. Der Rausschmiss aus der Runde der weltgrößten Industrienationen hat Moskaus Isolation zementiert. Der Westen tut gut daran, an seiner Gangart festzuhalten. Ob allerdings die Lösung darin liegt, die Kapazitäten der Nato aufzurüsten, darf bezweifelt werden. Vielmehr muss die EU all ihr Gewicht in ihre Vermittlerrolle werfen. Dass sie dazu durchaus in der Lage ist, hat sie im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland eben erst wieder unter Beweis gestellt. Erste Erfolge konnten verbucht werden. Dies darf jetzt nicht aufs Spiel gesetzt werden. Juncker, Schulz oder doch ein anderer: Es wäre gefährlich, wenn sich die EU nun in langwierige Personalstreitereien verharken würde. Das G7-Treffen sollten Merkel und Co. deshalb nutzen, um ihren Zwist um den künftigen Kommissionspräsidenten beizulegen. Die EU kann dazu beitragen, die Krise in und um die Ukraine zu entspannen.
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