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Mittelbayerische Zeitung: Joachim Löws Meisterwerk - Der WM-Triumph von Rio steht symbolisch für ein weltoffenes, sympathisches Deutschland. Von Heinz Gläser

Regensburg (ots)

Mit dem Stempel "historisch" sollte man aus guten Gründen geizen. Unzählig sind die Momente, die mit diesem Attribut geadelt wurden, um alsdann rasch der Vergessenheit anheimzufallen. Ein sporthistorisch bedeutsames Datum ist 13. Juli 2014 jedoch allemal. 24 Jahre waren seit dem Titelgewinn einer deutschen Mannschaft 1990 in Italien verstrichen. Seinerzeit war gerade erst die Mauer gefallen und die Nation offiziell noch geteilt. Ein Großteil der heutigen Spielergeneration kennt diese Zeit nur aus dem Geschichtsbüchern. Deutschland ist Fußball-Weltmeister. Rio de Janeiro steht in einer Reihe mit Bern, München und Rom. Dass der Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw der Triumph in der Kultstätte Maracana-Stadion gelungen ist, gibt ihm eine besondere Note. Und dass ein surreal anmutendes 7:1 im Halbfinale gegen den WM-Gastgeber Brasilien den Weg ins Endspiel gegen Argentinien geebnet hatte, ist aus deutscher Sicht die fulminante Pointe des Turniers. Mit allen bisherigen Titeln sind kollektive Erinnerungen an geschichtliche Etappen verknüpft. Das Wunder von Bern 1954 stand symbolisch für den Wiederaufbauwillen der Kriegsgeneration, das geflügelte Wort dazu lautete: Wir sind wieder wer. Die Heim-WM 1974 war die Bühne für eine neue Generation, die selbstbewusst gegen die verstaubten Konventionen ihrer Eltern aufbegehrte. Als Franz Beckenbauer 1990 seine Mannschaft zur Weltmeisterschaft führte, stand Deutschland an der Schwelle zur Rückkehr in den Kreis selbstständiger Nationen. Der Titelgewinn war Ausdruck eines gesunden Patriotismus' in einem geläuterten Land. Und wofür steht Rio des Janeiro 2014? Im besten Fall für ein Deutschland, auf das die Welt wieder mit Sympathie und bisweilen auch einer Portion Bewunderung blickt. Philipp Lahm & Co. sind exzellente Repräsentanten einer weltoffenen Generation. Sie paaren spielerische Eleganz und Leichtigkeit mit der oft so gefürchteten deutschen Ernsthaftigkeit und Effizienz. Angeführt hat die WM-Mission 2014 Joachim Löw. Und die Skepsis, die ihn nach Brasilien begleitete, kam ja beileibe nicht von ungefähr. Das Fußball-Volk hatte mit dem eloquenten Freiburger zu fremdeln begonnen, Löws Stil galt als ästhetisch wertvoll, aber wenig gewinnbringend. Das Reisegepäck des Deutschen Fußball-Bundes war vollgestopft mit Rückschlägen, Widerständen, Unwägbarkeiten. Löws Verdienst ist es, seinen Weg unbeirrt weiter beschritten zu haben. Der 54-Jährige hat aus Spielern mit Talent im Übermaß ein Team geformt, das diese Begabungen auf dem Platz endlich voll zur Entfaltung brachte. Die Generation Lahm-Schweinsteiger-Podolski bleibt nun doch keine unvollendete, wie viele unkten. Der Bundestrainer hat es überdies vermocht, im WM-Quartier Campo-Bahia eine Einheit zusammenzuschweißen, die ihr großes Ziel konsequent verfolgt. Der WM-Titel ist das Meisterwerk des Architekten Löw. Er wird wohl weitermachen, mindestens bis zur EM 2016 in Frankreich. Dann sind die Meriten von Rio schon wieder Geschichte. Gleichzeitig Welt- und Europameister: Dieses Privileg genossen bislang noch nicht viele. Löws Mannschaft hat Perspektive. Und sie hat das Zeug dazu, wie wir seit dem 13. Juli 2014 wissen.

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