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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Jürgen Scharf zum Titelkampf in der Formel 1

Regensburg (ots)

Die Formel 1 machte in den USA nicht in Hollywood Halt, sondern in Austin. Allerdings hätte das kalifornische Film-Mekka in dieser Saison wunderbar gepasst. Ein derart spannendes Saisonfinale, wie es die Fans nun erleben, könnten sich selbst Drehbuchschreiber nicht besser ausdenken. Die Macher der Rennserie werden sich auf die Schulter klopfen - und gleichzeitig zittern. Wenn sich die Streithähne Lewis Hamilton und Nico Rosberg in den letzten beiden Rennen in Sao Paulo und Abu Dhabi über den Haufen fahren, wird es eine harte Diskussion über die neuen Regeln der Motorsport-Königsklasse geben. Viermal in Folge gewann Sebastian Vettel zuletzt den Weltmeister-Titel. Die Dominanz des Deutschen war für die Vermarkter der Formel 1 ein Problem. Vettel ist ein Star - trotz seiner grandiosen Erfolge aber kein Superstar. Dafür ist der Heppenheimer zu wenig glamourös. Da tut es den internationalen TV-Quoten heuer gut, dass sich die Kräfteverhältnisse verschoben haben und sich nun ein Duo um den Titel balgt: Hamilton und Rosberg. Dieser teaminterne Wettkampf der beiden Mercedes-Fahrer elektrisiert die Massen. Zum einen, weil er an legendäre Duelle wie Prost gegen Senna erinnert, zum anderen, weil so unterschiedliche Typen aufeinanderprallen. Hier Hamilton, der extravagante Playboy mit Popstar-Freundin, da Rosberg, der introvertierte Fleißarbeiter, der mit seinem Familiennamen uralten Formel-1-Adel verkörpert. Das alles kommt aber nicht von ungefähr. Dass Vettel mit seinem Red Bull nur noch hinterherfährt, liegt auch an den vielen neuen technischen Vorgaben, die es für diese Saison gab. Diese waren allerdings legitim. Die Formel 1 hat sich schon immer das Recht heraus genommen, die Karten neu zu mischen. Mit diesem Druck müssen die Teams umgehen können. Dass nun obendrauf aber noch ein nervenzerfetzendes Saisonfinale erzwungen werden sollte, ist des Guten zu viel. Im letzten Rennen in Abu Dhabi werden einfach die doppelten Punktzahlen vergeben. Das kommt dann doch eher wie Kirmes-Boxen statt wie ein millionenschweres Sportevent daher - und gefährlich ist es dazu. Enge Entscheidungen hat es in der Formel 1 im letzten Rennen ohnehin immer wieder gegeben, ganz ohne Punkte-Tricksereien. Man denke nur daran, wie hart am Limit Michael Schumacher auf den letzten Metern beizeiten fuhr. Gerade in dieser Saison, in der die Königsklasse mit dem schweren Unfall von Jules Bianchi nach langer Zeit wieder einmal ihre Verwundbarkeit erfuhr, ist es aber das völlig falsche Signal, die Fahrer im Saisonfinale noch stärker unter Druck zu setzen. Wer mit 300 Sachen auf eine Kurve zurast, sollte nicht noch im Hinterkopf haben: Oha, heute zählt's doppelt, also rauf aufs Gas. Hoffen wir, dass alles gut ausgeht - und dass sich die Formel-1-Macher dennoch besinnen und in der kommenden Saison einen Gang zurückschalten. Trotz aller Unkenrufe könnte die Rennserie vor einer guten Zukunft stehen. Sicher, nicht jedes Land kann es sich noch leisten, dieses Spektakel auszurichten. Diese Probleme gibt es aber bei Olympia oder Fußball-WM genauso. Und selbst wenn zuletzt zwei Formel-1-Teams pleite gingen: Eine grundsätzliche Krise, wie sie bereits ausgerufen wurde, ist dies nicht. Es ist einzig der Traum geplatzt, die Zwei-Klassen-Gesellschaft der Rennserie aufzuweichen. Die reichen Teams lassen sich keine Budgetbeschränkungen vorschreiben. Die kleinen Teams fahren weiter hinterher und bleiben ohne Erfolge arm. Das ist in der Formel 1 aber schon immer so gewesen - und das Erfolgsrezept für die Zukunft ist ebenso ein altes. Es sind die Menschen in den Autos, Typen wie Hamilton und Rosberg, die die Fans an die Rennstrecke und vor die Fernseher ziehen. Mit diesen müssen die Regelmacher verantwortungsvoll umgehen. Ein Krimi der Marke Hollywood ist gut und schön - es sollte aber kein Horror-Film werden.

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