Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Richtfest der Continental Arena: An die Arbeit! von Jürgen Scharf
Regensburg (ots)
Schaffe, schaffe, Stadion baue! In den vergangenen zehn Monaten wurde im Regensburger Stadtsüden der Rohbau des neuen Fußball-Stadions aus dem Boden gestampft. Hut ab! Heute dürfen alle kurz durchschnaufen. Die Kräne stehen still, es wird Richtfest gefeiert - und bereits in einem halben Jahr wird die Arena eröffnet. Doch ist dann wirklich alles fertig? Pustekuchen! Wenn der letzte Pinselstrich gezogen und die letzte Steckdose installiert ist, fängt eine ganz andere Arbeit erst an: Dieses Stadion mit Leben zu erfüllen. Das wird eine weitere Herkulesaufgabe. Von blühenden Fußballlandschaften wurde geträumt, als der Regensburger Stadtrat im Sommer 2011 für den Bau eines neuen Stadions stimmte. Ein Projekt, das dem Hauptmieter, dem SSV Jahn Regensburg, schon alleine durch die Bekanntgabe Rückenwind geben sollte. Über kurz oder lang eine echte Macht in der 2. Bundesliga werden - das war der Plan. So ist es leider nicht gekommen. Momentan ist es wahrscheinlicher, dass der Klub zum Ende der Saison in die Regionalliga absteigt, als dass er in der 3. Liga noch die Kurve kriegt. Diejenigen, die schon immer gegen das Stadion waren, reagierten auf die Niederlagenserie wie erwartet. Internetforen wurden mit hämischen Kommentaren der Marke "Stadionbau sofort einstellen!" gepflastert. Das mag ganz witzig sein, bringt allerdings niemanden weiter. Denn: Im Sommer 2015 steht im Regensburger Stadtsüden eine neue Arena. Punkt. Wer immer noch über das "Warum" streiten will, verbrennt unnötig Energie. In den kommenden Jahren muss es um etwas ganz anderes gehen. Befürworter der Arena sprechen oft etwas vage von der Schaffung eines neuen weichen Standortfaktors. Darunter kann sich niemand etwas vorstellen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Im neuen Stadion sollen sich Menschen treffen und dabei - vor allem mit Fußballspielen, aber nicht nur - unterhalten werden. Es soll eine Begegnungsstätte für die Bürger der Region und darüber hinaus werden. Wenn das funktioniert, könnte die neue Arena auch den Wirtschaftsstandort Ostbayern interessanter machen. Unternehmen profitieren davon, wenn sie ihren Mitarbeitern gute Freizeitmöglichkeiten bieten können. Kurzum: In der Arena muss etwas los sein. Dies ist die große Aufgabe, die Kommune, SSV Jahn und Politiker nun lösen müssen. Ansonsten werden für dieses Projekt wirklich mehr als 50 Millionen Euro sinnlos vergeudet. Die Kommune muss ein facettenreiches Programm über den Fußball hinaus auf die Beine stellen. Das muss übrigens gar nicht jede Woche ein Konzert mit Joe Cocker sein. Mal ein Kinderfest, mal ein Kirchentag, mal ein Schulfest - und schwupps ist schon etwas Leben in der Bude. Das alles bringt kein Geld, aber Hand aufs Herz: Ums Geldverdienen ist es der Stadt Regensburg bei der neuen Arena ohnehin noch nie gegangen, es ist ein reines Prestige-Projekt. Der SSV Jahn Regensburg muss so wirtschaften, dass er nicht pleite geht. Und die Politiker müssen sich an eine ihrer Kernaufgaben erinnern. Sie sind nicht bloß dazu da, ein paar Unterlagen zu prüfen und dann im Stadtrat kurz vor der Wahl begeistert die Gelder für ein neues Stadion freizumachen. Die eigentliche Arbeit beginnt erst, wenn das Stadion steht. Die Politiker müssen dieses Projekt weiter begleiten. Sie müssen jedem, der dazu etwas wissen will, überzeugend die Gründe für diese Investition erklären können. Sie müssen dafür werben, sich das Stadion einmal anzuschauen. Sie müssen präsent sein. Nicht wie in den vergangenen Monaten, in denen der Jahn ein Spiel nach dem anderen verlor und viele Regensburger Politiker mit Abwesenheit glänzten. In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren viele neue Stadien gebaut. Am Anfang war die Euphorie immer groß. In ein paar Städten ist sie auch geblieben. In ein paar anderen ist sie völlig verflogen. Dabei kann ein Stadion-Projekt eigentlich an jedem Standort ein Erfolg werden, völlig egal, in welcher Liga der ansässige Fußball-Klub spielt. Viel wichtiger ist es, dass die Menschen, die dort leben, das Projekt akzeptieren. Dass sie sagen: "Hey, das hier ist nun unser Stadion! Das gehört uns allen!" Hoffentlich sagen das bald auch viele Menschen in Ostbayern.
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