Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Thomas Spang zum Auslaufen des Patriot Act in den USA
Regensburg (ots)
Heimlich, still und leise begann der NSA nach den Terroranschlägen des 11. September massenhaft Kommunikationsdaten zu sammeln. Über Jahre hinweg ahnte die Öffentlichkeit nicht, dass die Geheimdienste dabei nicht nur Verdächtige im Ausland im Visier hatten, sondern auch unbescholtene US-Bürger. Entsprechend groß war die Aufregung als "Whistleblower" Edward Snowden Ausmaß und Umfang der staatlichen Schnüffeleien enthüllte. Dem ehemaligen Vertragsarbeiter des NSA fällt damit das Verdienst zu, die Grundlagen für eine informierte Debatte über die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Dass nun ein Bündnis aus radikal-liberalen Republikanern und linken Demokraten eine Überholung des so genannten "Patriot Acts" erzwingt, auf dessen Basis die Geheimdienste ihre fragwürdigen Aktivitäten organisierten, ist die erste greifbare Konsequenz. Beschlossen ist noch nichts, aber die Zwangspause bei der Sammlung der Metadaten durch die NSA markiert eine Zäsur. Erstmals seit den Anschlägen auf New York und Washington ließ sich der Kongress nicht einschüchtern, Bürgerrechte auf dem Altar behaupteter Sicherheitsbedürfnisse zu opfern. In der Vergangenheit hatten sich die Gesetzgeber immer wieder mit derselben Taktik in die Ecke treiben lassen. Ohne eine Verlängerung der Vollmachten für die Geheimdienste sei die Heimat in höchster Gefahr. Senatsführer Mitch McConnell versuchte die Rezeptur auch diesmal anzuwenden und scheiterte kläglich. Sein Parteifreund Rand Paul, der sich um das Weiße Haus bewirbt, ließ ihn durch einen Verfahrenskniff auf- und den "Patriots Act" auslaufen. Ohne einen Plan B in der Tasche wird McConnell nicht viel anderes übrig bleiben als einem Reformpaket zuzustimmen, das im Repräsentantenhaus eine breite überparteiliche Mehrheit hat. Der sogenannte "USA Freedom Act" bleibt weit hinter den Wünschen von Bürgerrechtlern und Datenschützern zurück. Aber er korrigiert erstmals das völlig aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnis zwischen den Anmaßungen des Überwachungsstaats und dem Anspruch der Bürger auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Die Amerikaner werden demnach künftig nicht mehr automatisch unter Generalverdacht gestellt, wie das bisher bei dem vom NSA praktizierten massenhaften Absaugen von Metadaten im Telefonverkehr die Praxis war. Stattdessen müssen die Schlapphüte sich im Einzelfall eine Genehmigung von dem für die Aufsicht zuständigen geheimen "Foreign Surviellance Court" holen. Dort wird dann auch nicht mehr nur die Regierung alleine ihre Argumente präsentieren. Erstmals wird es dort dann auch einen Anwalt geben, der die Bürgerrechte verteidigen kann. Wohlgemerkt geht es nicht darum, den Staat wehrlos zu machen. Angesichts der Anschläge auf den World Trade Center und das Anwachsen des IS im Mittleren Osten wäre es töricht, den Bedarf an schlagkräftiger Aufklärung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus in Frage zu stellen. Allerdings hat bisher niemand den Nachweis gebracht, dass die außer Rand und Band geratenen Schnüffeleien des NSA auch nur einen einzigen Anschlag verhindern konnten. Dass sich Geheimdienste selbst beschränken, ist umgekehrt durch die Snowden-Enthüllungen klar widerlegt. Diese Kontrolle muss in demokratischen Gesellschaften durch die gewählten Volksvertreter und Gerichte ausgeübt werden. Der US-Kongress steht vierzehn Jahre nach dem 11. September davor, dieser Verantwortung erstmals nachzukommen. Ein wichtiger Schritt, dem weitere folgen müssen, um die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit wiederherzustellen.
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