Mittelbayerische Zeitung: Alpen-Disneyland - In Elmau wurde zwar kein Klischee ausgelassen, doch das Treffen brachte tatsächlich einen Erfolg. Von Stefan Stark
Regensburg (ots)
Im folkloristischen Bilderreigen des bayerischen Alpen-Disneylands fehlte höchstens noch der Wolpertinger als Maskottchen für Angela Merkel und ihre Gipfelgäste. Kitsch as Kitsch can, lautete das Motto der PR-Show in Elmau. Oder, um es mit Ministerpräsident Horst Seehofer zu sagen: "Das ist bayerische Perfektion." Kaum ein weiß-blaues Klischee wurde ausgelassen, um die Mächtigen - abgeriegelt von 20 000 Polizisten - im Idyll einer heilen Welt zu inszenieren. Was für ein Widerspruch zur Wirklichkeit! Denn die Welt ist gerade dabei, auseinanderzufliegen. Der andauernde Flüchtlingsstrom nach Europa, die Barbarei der IS-Terrormiliz, der Krieg in der Ostukraine, die nicht endende Eurokrise, die Folgen des Klimawandels, und und und. Die Liste der Probleme wird von Gipfel zu Gipfel länger, und es stellt sich die Frage, wie sieben Staats- und Regierungschefs - von kurzfristigem Krisenmanagement einmal abgesehen - wirklich je einen großen Wurf schaffen wollen. Immerhin müssten sie nicht nur einen gordischen Knoten durchschlagen, sondern mindestens ein Dutzend. Den Gipfel in Elmau auf ein schätzungsweise 350 Millionen Euro teures alkoholfreies Weißbier für US-Präsident Barack Obama bei seinem Treffen mit Trachtlern in Krün zu reduzieren, wäre jedoch unfair. Denn beim umstrittenen Thema Klimaschutz kann Merkel einen überraschenden Achtungserfolg verbuchen. Die Kanzlerin rang der G7-Gruppe eine Erklärung ab, die über dem kleinsten gemeinsamen Nenner liegt - und damit über den Erwartungen. Die Ankündigung, die Treibhausgase im 21. Jahrhundert auf null zu reduzieren, ist ein ehrgeiziges Ziel, das man im Kampf gegen die Erderwärmung nur begrüßen kann. Die Frage lautet jetzt, wie Merkel die Null-Emissions-Politik weltweit durchsetzen will - also auch in China oder Indien - wenn die Bundesregierung den CO2-Ausstoß schon im eigenen Land nicht in den Griff bekommt. Dennoch: Merkel hat die Klimaschutzmarke hoch gesetzt. Man darf gespannt sein, ob das so bleibt, wenn die heimische Braunkohleindustrie Sturm dagegen läuft. Bei einem anderen wichtigen Thema - dem Ukraine-Konflikt - erging eine deutliche Warnung an Russland. Man darf zwar bezweifeln, dass sich Kremlchef Wladimir Putin von der Drohung mit weiteren Sanktionen groß beeindrucken lässt. Dennoch sendete der Gipfel ein Signal der transatlantischen Geschlossenheit. Auch das war nicht selbstverständlich. Die G7-Länder sind bei weitem nicht der freundschaftliche Haufen, wie Merkel, Obama & Co. in Elmau weismachen wollten. Das leutselige "Grüß Gott" des US-Präsidenten in Krün kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsch-amerikanische Freundschaft durch die NSA-Affäre nach wie vor schwer belastet ist. Und ausgerechnet dieses Thema klammerten die Kanzlerin und der US-Präsident aus. Gleichzeitig wünscht sich Washington von der Bundesregierung einen völlig neuen Kurs in der Eurokrise. Griechenland soll nach den US-Vorstellungen um jeden Preis im Euroraum gehalten werden. Für Merkel war diese Art von Scheckbuchpolitik bislang ein rotes Tuch - für Obama ist sie eine ernsthafte Option. Und auch innerhalb Europas steht die Bundesrepublik in der Finanzkrise ziemlich isoliert da. Die wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Extrawünsche der Griechen sind Finnland, die Niederlande und Österreich - nicht etwa Frankreich. Das verdeutlicht: Der deutsch-französische EU-Motor ist längst Geschichte. Insofern hatten die idyllischen Gipfelszenen auch für Merkel großen Symbolwert: Die Kanzlerin als Gastgeberin der Mächtigen - sie steht im Kampf gegen Weltkrisen nicht allein auf weiter Flur, sollen die Bilder suggerieren. Doch bei dem Übermaß an Kitsch und Klischees in Elmau kann dieses Kalkül nach hinten losgehen. Wenn eine derart sündteure politische Inszenierung wie reiner Selbstzweck wirkt, wird sie zur Farce.
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