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Mittelbayerische Zeitung: Sicher in Istanbul
Der Anschlag auf eine Reisegruppe in der Türkei wirft die Frage auf: Wer hat wo ein Recht auf Sicherheit? Leitartikel von Martin Anton

Regensburg (ots)

ie Nachricht von dem Attentat auf eine Reisegruppe im historischen Herzen Istanbuls hat in den sozialen Medien die inzwischen üblichen Kommentare hervorgerufen. Der Islam als menschenverachtende Religion, der Koran als "Mein Kampf" und ähnlicher Schmarrn. Auf den ersten Blick ähnlich dumm, aber doch fesselnd dieser Kommentar eines Facebook-Nutzers: "Nicht mal im Ausland kann man in Ruhe Urlaub machen!" Es ist nicht klar, ob das als Scherz oder ernst gemeint ist, und warum der geruhsame Urlaub im Inland gefährdet ist. Es trifft aber gewissermaßen den Kern dieser Gewalttat. Denn genau diese Reaktion scheinen der Attentäter und seine möglichen Hintermänner beabsichtigt zu haben. Es gibt bisher zwar keine Hinweise, dass es ein gezielter Anschlag auf deutsche Touristen war. Doch eines scheint nach den bisherigen Erkenntnissen klar: Das Attentat sollte Angst und Unsicherheit, sollte den Terror in das Zentrum des touristischen Istanbul tragen. Der sogenannte Islamische Staat (IS), so er denn hinter dem Attentat steckt, könnte so gleich mehrere Ziele erreichen. Zum einen trifft er die Türkei an einer empfindlichen Stelle, nämlich der wichtigen Einnahmequelle Tourismus. Gleichzeitig ist es ein Signal an Menschen aus den Staaten, die besonders häufig Urlaub in der Türkei machen: Hier ist ein weiterer Ort, an dem ihr nicht mehr sicher seid. Denn obwohl die Türkei seit Monaten immer wieder Ziel von terroristischen Anschlägen wird, bei denen 170 Menschen starben, und außerdem im Osten einen Bürgerkrieg gegen die kurdische Minderheit führt, galten Istanbul und die Urlaubsorte an der türkischen Südküste für Touristen bisher noch als relativ sicher. Dass jetzt, nachdem erstmals Deutsche in der Türkei Opfer des Terrors wurden, die Sicherheitsdiskussion hierzulande anläuft, ist ein natürlicher Reflex, nicht nur bei Facebook-Nutzern. Jahrzehntelang mussten sich deutsche Staatsbürger kaum Sorgen auf ihren Reisen machen. Der deutsche Pass hat im Ausland hohes Ansehen, mehr als die vieler anderer EU-Länder. Die Gewissheit, jederzeit an so ziemlich jeden Ort der Welt reisen zu können und dort auch willkommen zu sein, ist fest im deutschen Bewusstsein verankert. Anschläge in Ägypten, Tunesien und jetzt in der Türkei haben diese Gewissheit erschüttert und werfen die Frage auf, welche Orte auf der Welt für Deutsche noch sicher sind. Dass diese Kategorie von Sicherheit eine andere ist, als die Sicherheit der restlichen Menschheit, macht die Bundesregierung in den vergangenen Monaten immer wieder klar, indem sie mit der Ernennung neuer sicherer Herkunftsländer versucht, die Flüchtlingszahlen nach unten zu korrigieren. Das "Recht auf Sicherheit", das Befürworter rigider staatlicher Überwachung gerne postulieren, ist offenbar nur auf wenige Menschen beschränkt. Das wirft die Frage auf: Wer soll sich sicher fühlen dürfen? Deutsche? Mit oder ohne Migrationshintergrund? Türken, Syrer, Afghanen? Männer und Frauen? Christen, Juden und Muslime? Und wo? In Deutschland, in der EU, überall auf der Welt? Die Bundesregierung, EU-Vertreter und die türkische Regierung bekräftigen nach dem Attentat schnell ihre Absicht, gemeinsam den Terror intensiver bekämpfen zu wollen. Für die Türkei bedeutet das eine noch engere Zusammenarbeit mit der EU, für Präsident Recep Tayyip Erdogan eine weitere Aufwertung in der internationalen Gemeinschaft, die neben Terror (gegen EU-Bürger!) und Migration Menschenrechtsverletzungen übersieht. Die Türkei ist im Übrigen trotz Attentat sicher, sagt auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière - halt nur nicht für Kurden und Oppositionelle.

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