Mittelbayerische Zeitung: Syrien stirbt und die Welt schaut zu
Nur Russland kann das Morden beenden. Der Westen muss das akzeptieren. Leitartikel von Christian Kucznierz
Regensburg (ots)
Sie sind allgegenwärtig, die Wehklagen, mal lauter, mal leiser, mal milder, mal heftiger. Und jeder kennt sie, die Rufe. Dass doch diese Vorweihnachtszeit nichts mehr zu tun hat mit der "staaden Zeit", mit der Ruhe, der Besinnlichkeit und der inneren Einkehr. Dass alles so hektisch geworden ist. Dass es so schwer ist, in den Innenstädten Parkplätze zu bekommen, oder ein Fleckchen auf den Weihnachtsmärkten, um in Ruhe Glühwein und Bratwurst genießen zu können. Wir leben in einem Luxus, der uns nicht bewusst ist. Auch, weil wir die Bilder von anderen Orten meiden. Oder weil sie aus dem Blick geraten sind. Dabei wird nicht weit weg von Europa, in Syrien, die Stadt Aleppo gerade ausgelöscht, die Menschen ermordet, vertrieben in die Kälte des sechsten Kriegswinters. Die einzige Stille, die sie eines Tages erwartet, ist die Friedhofsstille, die sich über ein Land legen wird, das unter den Augen der westlichen Welt verblutet ist. Angela Merkel sprach diese Woche in Bezug auf Syrien von einer Schande. Sie hat Recht. Seit Jahren tobt dort ein Bürgerkrieg, ausgelöst durch den Wunsch einer großen Gruppe von Menschen nach Freiheit, nach echter Demokratie - ein Wunsch, der sein Ende vor den Mündungen der Gewehre des Assad-Regimes fand, von Fassbomben zerfetzt und im Giftgasnebel erstickt wurde. Ja, es stimmt. Aufseiten der Gegner des Regimes kämpft ein Konglomerat von Milizen, unter denen der Islamische Staat (IS) und zahlreiche weitere terroristische Gruppierungen sind, und sie verdienen keine Gnade. Es ist auch richtig, dass der Westen den Kampf gegen den IS unterstützt. Aber es ist ein aussichtsloser Kampf, solange Syriens Machthaber Assad mit russischer Luftunterstützung wahllos alles zerstört, was ihm im Weg steht. Dies ist kein Kampf gegen die Opposition. Es ist ein Vernichtungskrieg. Alleine sechs Millionen Kinder sind in Syrien selbst auf der Flucht. Ihnen fehlen Nahrungsmittel und Medikamente, weil Hilfskonvois nicht in die umkämpften Gebiete vordringen können. Den Familien, die oft schon mehrfach fliehen mussten in den vergangen Jahren, geht die Kraft aus - und der Winter steht vor der Tür. Am morgigen Samstag soll es wieder Gespräche geben zwischen den Konfliktparteien, um eine Lösung zu finden oder zumindest eine Unterbrechung des Mordens. Alles liegt in dieser Situation an Russland. Moskau ist die einzige Großmacht, die sich aktiv in den Kampf eingeschaltet hat, und ohne sie kann niemand das Morden beenden. Assad ohnehin nicht. Der Westen aber auch nicht. Russland wird seinen Einfluss auf das Regime nicht aufgeben. Und gegen Moskau wird niemand in den Krieg ziehen. Die USA und Europa haben zugelassen, dass Putin Syrien zu seinem Einflussgebiet gemacht hat. Ein Donald Trump als neuer US-Präsident wird das sicher nicht ändern. Der Westen hat sich im Syrienkrieg in die Hände Moskaus begeben - und damit das Schicksal der Menschen dort dem Machtpoker des Kreml ausgeliefert. In Russland wird entschieden, wie viele Winter noch getötet wird, und wie viele Menschen dieses Morden noch in die Flucht - und damit auch bis nach Europa - treiben wird. Sollte es einen Wunschzettel für internationale Politik geben, ganz oben müsste eine Waffenruhe für Syrien stehen. Und danach ein echter, verbindlicher Friedensfahrplan. Russland wird ihn diktieren, ja. Aber ohne dieses Diktat gibt es keine Hoffnung und keinen Frieden für Syrien und seine Menschen.
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