Mittelbayerische Zeitung: Kampf ohne Waffen? Die Idee der freien Welt ist in Gefahr. Wer für sie kämpft, braucht Haltung und Überzeugungskraft. Von Manfred Sauerer
Regensburg (ots)
Muss man die Freiheit ein gutes Stück abgeben, um sie letztlich zu erhalten? Das fragen sich die Menschen in Deutschland am Ende eines bedrückenden Jahres. Wenn Politiker oder Kirchenvertreter davor warnen, dem Terror nicht in die Falle zu gehen, ist das zwar ehrenwert. Aber schaffen wir das überhaupt? Wie sollen wir Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Nächstenliebe verteidigen, wenn wir ohne Waffen sind? Und unsere Geschlossenheit hat längst Risse. Wir installieren Videokameras, wir führen wieder Grenzkontrollen ein, wir sammeln wie wild Daten auf Vorrat, bis es uns der Europäische Gerichtshof eventuell untersagt. Wir stellen Flüchtlinge unter Generalverdacht. Helfen wird dies alles nicht. Wir müssen erkennen, dass wir uns nur verteidigen können, indem wir Haltung zeigen und unsere tiefe Überzeugung demonstrieren von einer freien Welt, die dem Individuum ein größtmögliches Recht zur Selbstbestimmung zubilligt. Dies gilt gegenüber der Aggression von außen durch den Terror, aber auch gegenüber den Angriffen "von innen" durch diejenigen, die aus Unsicherheit Unmenschlichkeit und aus latentem Ärger Hass machen. Es gibt durchaus viele, die auch im wohlhabenden Deutschland einen Rückschlag in ihrer Biografie erlitten haben, die ungerecht behandelt wurden und sich zurückgesetzt fühlen. Ihnen springen Gleichgesinnte und Populisten bei, bestärken sie in ihrer Meinung. Und wer in den sogenannten sozialen Netzwerken unterwegs ist, kann sich jede noch so abstruse oder gehässige Meinung vielfach bestätigen lassen. Das besorgen jetzt immer häufiger nicht einmal Menschen, sondern Maschinen. Es bleibt uns also nur der feste Glaube an das freie und friedliche Zusammenleben. Und wenn wir das bewahren, wenn wir den Respekt Andersdenkender für uns reklamieren, gar die Aussichtslosigkeit eines noch so vehementen Angriffs auf diese Werte deutlich machen wollen, müssen wir Zeugnis ablegen für unsere Überzeugung. Dieser altmodische Begriff, meist im Zusammenhang mit dem religiösen Glauben gebraucht, meint ja, dass man seine Überzeugung nicht still für sich behält, sondern sich öffentlich und deutlich vernehmbar dazu bekennt. Dies aber eben nicht schrill und manipulativ, sondern sympathisch und verbindlich, in einer Art also, die anderen hilft und sie bestärkt. Der Ansatz einer friedlichen Gesellschaft mit möglicher Wohlstandsteilhabe für jeden Einzelnen lag ja auch der Idee des vereinten Europas zugrunde. Wir waren auf einem guten Weg, aber nationale Egoismen, Fremdenangst und Desinformation der Menschen gerade durch diejenigen, die dieser Idee zuarbeiten sollten, lassen sie scheitern. Hinzu kommt der Terror, der die Destabilisierung der freien Welt zum Ziel hat. Das Ergebnis: Toleranz, Solidarität, Weltoffenheit - all das schwindet oder wird zunehmend verleumdet. Dieses "Zeugnis ablegen" ist aber tatsächlich unsere einzige Waffe. Denn heißt das nicht vor allem, dass wir uns zur Menschlichkeit bekennen? Wir feiern jetzt Weihnachten. Gott zeigt sich den Menschen, indem er klein wie ein Kind wird. Er kommt, um den Menschen zu helfen. Seine eigentliche Größe besteht also in seiner Menschlichkeit. Insofern ist die Botschaft dieses christlichen Festes so sympathisch wie kraftvoll: Wer den Nächsten achtet, ihm nicht schaden will, ihn sozusagen liebt, handelt zutiefst menschlich und zielt auf Frieden ab. So einfach das klingt, so schwer ist es in diesen Tagen. Aber die Mühe lohnt sich allemal.
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