Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Diesel-Gipfel: Die große Luft-Nummer von Bernhard Fleischmann
Regensburg (ots)
Hurra, Deutschland ist gerettet. Vielleicht nicht ganz Deutschland, aber zumindest der wesentliche Teil - seine Automobilindustrie. Sie kommt aus dem Diesel-Skandal noch nicht mal mit einem blauen Auge, sondern mit einem Kratzer am kleinen Zeh davon. Jedenfalls was die in Absprache mit der Bundesregierung vereinbarten Maßnahmen betrifft. Auto-Aktien machten an der Börse einen - allerdings vorübergehenden - Luftsprung, als das Ergebnis des Diesel-Gipfels am Nachmittag verkündet wurde. Gemeinsam mit den Aktionären atmeten Millionen Besitzer der von Fahrverboten bedrohten Autos auf. Sie waren die Waffe der Autokonzerne. Hätte man ihre Diesel für stadtuntauglich erklärt, hätte in Deutschland kurz vor der Bundestagswahl extrem dicke Luft geherrscht. An deren Ende hätten die Union und SPD verloren, FDP vermutlich und AfD sicher gewonnen. Und die Grünen wären sowieso an allem Schuld gewesen; das legen zumindest die unzähligen Empörungskommentare bei diesem Thema in den sozialen Netzwerken nahe. Nun sollen es Programmierer richten. Fünf Millionen Software-Updates - und unsere Luft wird sauber. Das stimmt; so ein kleines Bisschen; ein ganz kleines. Was davon aber keinesfalls wieder sauber wird, ist das Image der Autobauer. Da hilft eine frische Software wenig. Viel mehr bringt hier der Faktor Zeit, also das Vergessen. Klingt fatalistisch, hat sich aber in den meisten Fällen bewahrheitet. Bei dem Gipfel ist nicht mehr herausgekommen, weil Ziele mit einer seltsamen Priorität gesetzt wurden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet (CDU) formulierte die aus seiner Sicht vermeintliche Aufgabe so: "Wir wollen den Diesel retten." Das tut weh. Da bleiben keine Fragen über verpasste Chancen offen. Falsch, Herr Laschet. Das kann nicht der entscheidende Punkt sein. In die gleiche Richtung zielte etwa Seehofers Idee, Steueranreize für neue Diesel einzuführen. Welch ein Irrsinn, dem Betrüger Steuergelder zur Belohnung hinterherzuwerfen. Wenn nun großspurig verkündet wird, fünf Millionen Autos werden per Software verbessert, dann geht es in der Mehrzahl der Fälle erst einmal schlicht darum, betrügerische Technik zu entfernen. Vor Gericht wäre das lediglich das Minimum für Strafmilderung. Darüber hinaus werden die Hersteller auch mittelalte Diesel optimieren, was technisch nur begrenzt möglich ist. Aber es gibt keine Hardware-Aufrüstung, keine Entschädigung für an der Nase herumgeführte Kunden und an sonstigen Atemorganen geschädigte Menschen; lediglich eine Kaufprämie einiger Hersteller, um den Absatz neuer Autos anzufachen, während man die zweifelhaften alten Diesel verschrottet oder nach Osteuropa und Afrika abschiebt. Der Umwelt hilft das bestenfalls direkt vor unserer Nase. Idealerweise sollte der Gipfel Wege aufzeigen, wie sich Autos schnellstmöglich in Richtung Nullemission bewegen können. Wäre das passiert, wäre er ein voller Erfolg gewesen. Wurde er natürlich nicht, weil man ja den Diesel retten wollte. Umgekehrt kann es nicht darum gehen, dem Diesel schnellstmöglich ein Grab zu schaufeln. Spötter sagen, das hat die Autoindustrie allein prima hingekriegt. Aber modernste Diesel sind sehr sauber zu betreiben. Dumm nur, dass diese modernste Technik in zu wenigen Fahrzeugen steckt, weil sie teuer ist. Wäre Diesel gleich besteuert wie Benzin, dann würde die Rechnung nur für Vielfahrer von Luxusgefährten aufgehen. Und würden die Verbraucher nicht immer mehr Pseudo-Geländebrummer mit dem Luftwiderstand einer Ikea-Schrankwand und dem Durst eines Volksfestzeltes kaufen, dann gäbe es noch viel weniger Diesel. Die Politik sollte sich dabei zurückhalten, eine einzige Technologie als die lobgepriesene Zukunft einzufordern. So hätten es die Elektroauto-Fans gerne und sie stehen direkt vor ihrem Ziel. Aber entscheidend ist die Sozial- und Umweltverträglichkeit. Da gibt es noch Alternativen, etwa synthetische Kraftstoffe. Die könnten sogar den wirklichen Übergang in die E-Mobilität ebnen, weil sie als Speicher für überschüssigen Strom aus regenerativen Quellen genutzt werden können.
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