Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu den Brexit-Verhandlungen, Autor: Jochen Wittmann
Regensburg (ots)
Theresa May mag angeschlagen sein, ausgezählt ist sie noch lange nicht. Nach den von der britischen Premierministerin frivol angesetzten und völlig verkorksten vorgezogenen Neuwahlen stand sie sicherlich geschwächt da. Aber da es in der Konservativen Partei offensichtlich keinen Ersatz für sie gibt und nichts die Torys mehr fürchten als erneute Wahlen, bleibt sie vorerst im Amt. Und gibt die Richtung vor. Am kommenden Freitag wird sie in Florenz eine programmatische Rede zum Brexit halten. Ihre Florenz-Rede, bedeutet ihr Sprecher in der Downing Street, werde sehr bedeutsam sein, ein Grundlagentext zum Brexit sozusagen wie es die Rede im Lancaster House vom Januar war. Damals hatte die Premierministerin den härtesten aller Brexits angekündigt: kein Verbleib im Binnenmarkt, keine Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes mehr, keine bedeutenden Zahlungen an die EU. Und wenn es zu keinem Deal komme, was soll's: Kein Deal wäre besser als ein schlechter Deal. Es sah so aus, als ob Großbritannien auf einen Klippen-Brexit zusteuert. Daran hat sich mittlerweile einiges geändert. May hat ihre Positionen aufgeweicht. Jetzt strebt sie eine Übergangsphase an, die vermutlich zwei Jahre dauern wird, in der Großbritannien zumindest in der Zollunion verbleibt und weiterhin in den EU-Haushalt einbezahlen will. In London hat sich Realismus durchgesetzt. Ein Klippen-Brexit, nach dem das Königreich ohne Deal ausscheidet und seinen Außenhandel nach Welthandelsorganisationsregeln betreibt, würde den Briten weit mehr schaden als der EU. Mays Pragmatismus ist zu applaudieren.
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