Mittelbayerische Zeitung: Waffenwahn in den USA
Das nächste Massaker ist nur eine Frage der Zeit. Amerika bleibt im Würgegriff des Waffenkults. Leitartikel von Thomas Spang
Regensburg (ots)
Eine Woche nach dem Massaker in Las Vegas wissen wir trotzt "Rund-um-die-Uhr"-Berichterstattung wenig über die Motive des Täters. Dafür verstehen wir umso besser, warum der nächste Massenmord nicht eine Frage des "ob", sondern nur des "wann" ist. Zuerst und zuvorderst hat das mit dem Waffenkult in einem Land zu tun, in dem es mehr Schießeisen als Einwohner gibt. Je grausiger das Verbrechen, desto mehr rüsten die Amerikaner in den Tagen danach auf. Und lockern die Waffengesetze. In den fünf Jahren seit dem Blutbad an der Grundschule von Sandy Hooks haben es mehr als zwei Dutzend Bundesstaaten nicht schwerer, sondern leichter gemacht, eine Waffe zu kaufen. Frei nach dem Motto der Waffenlobby NRA, das gegen einen Bösewicht mit einer Knarre nur ein guter Kerl mit einer Waffe etwas ausrichten könne. Eine Studie der "Harvard Business School" fand heraus, dass nach einer Massenschießerei in einem republikanisch regierten Gliedstaat die Zahl der Lockerungs-Gesetze für den Waffenkauf um 75 Prozent steigen. In demokratischen Staaten fällt dieser Effekt deutlich geringer aus. Was zu dem zweiten Grund führt, warum jenseits kosmetischer Zugeständnisse - wie nach Las Vegas mit der Regulierung sogenannte "Bump Stocks" - keine ernsthafte Reform des Waffenrechts möglich scheint. Die Debatte um das Waffenrecht ist eine Facette des monumentalen Konflikts zwischen den beiden Amerikas, die in unterschiedlichen Universen leben. Die multikulturellen Ballungszentren sind in der globalisierten Welt angekommen, während sich das ländliche und industrielle Amerika in seiner Lebensweise bedroht sieht. Donald Trump hat diese Befindlichkeit verstanden und beutet sie bis heute aus. Dazu gehören die Abschottung gegen eine bedrohlich empfundene Welt, Einwanderer und Flüchtlingen, Übersteigerung nationaler Symbole wie Fahnen, Hymnen und Denkmäler. Und eben auch das Recht auf Waffenbesitz, das Verlierer stark fühlen lässt. Dass die Zahl der Waffen in den USA mit dem Advent der Globalisierung Anfang der 90er Jahre um mehr als die Hälfte zulegte, dürfte kein Zufall sein. Neben der schieren Zahl an Waffen und dem fehlenden Willen, diese zu regulieren, verhindert der ritualisierte Umgang mit Bluttaten, wie der von Las Vegas, eine echte Aufarbeitung. Im Gegenteil haben die Medien ihren Anteil daran, den nächsten Massmörder zur Nachahmung zu verleiten. Es gibt eine Fülle an Forschungsergebnissen, die zeigen, wie "ansteckend" Massenschießereien sind. Laut einer Studie der "Arizona State University" trägt die Berichterstattung der Medien zur Übertragung des Keims auf sogenannte "Copycats" bei. Statt dem Täter so weit wie möglich die Aufmerksamkeit zu verweigern, bekommen diese eine große Bühne aufgestellt. Das Massaker als Massenspektakel hat mehr mit der Jagd nach Einschaltquoten als der Befriedigung eines berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an Information zu tun. Gemessen daran wäre der Ertrag der Berichterstattung über das Mandalay-Massaker eher dürftig. Das summarische Wissen über den Täter ließe sich in zwei Absätzen zusammenfassen. Es schwer nachzuvollziehen, warum die Medien dem nächsten Wahnsinnigen detaillierte Gebrauchsanleitungen liefern sollten, in möglichst kurzer Zeit, möglichst viele Menschen zu ermorden. Doch weil es nicht nur um die Waffen, sondern vor allem um die Einstellungen dazu geht, wird sich auch diesmal wenig ändern. Die US-Gesellschaft ist zu zerrissen, diese Epidemie der Gewalt unter Kontrolle zu bekommen. Amerika bleibt so im Würgegriff des Waffenkults.
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