Mittelbayerische Zeitung: Gewerkschaft trifft einen Nerv
In einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, ist die Forderung nach mehr Einkommen für die unteren Entgeltgruppen richtig.
Regensburg (ots)
Sechs Prozent mehr Geld über eine Laufzeit von zwölf Monaten - mit dieser Forderung ging die Gewerkschaft Verdi bereits 2016 in die Tarifverhandlungen für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Damals einigte man sich schließlich auf ein Plus von 4,75 Prozent in zwei Stufen bei einer Laufzeit von zwei Jahren. Diesmal könnten die Verhandlungen noch zäher werden - Warnstreiks inklusive. Denn Verdi will als soziale Komponente eine Mindesterhöhung um 200 Euro pro Monat erreichen. Davon würden vor allem die unteren Entgeltgruppen profitieren. Während die Arbeitgeberseite diese Forderung unter anderem mit dem Hinweis auf verschuldete Kommunen als unbezahlbar ablehnt, trifft die Gewerkschaft damit einen Nerv. In einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und vielen Menschen Altersarmut droht, ist es wichtig, dass sich Gewerkschaften besonders für die unteren Einkommensgruppen einsetzen. Der Staat als Arbeitgeber sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen. Kaum jemand würde bestreiten, dass etwa Krankenpfleger und Erzieherinnen für die wichtige Arbeit, die sie leisten, bislang deutlich zu wenig Geld verdienen. Auch im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist festgeschrieben, dass Pflegekräfte künftig besser bezahlt werden sollen. Eine höhere Vergütung soll die Berufe attraktiver machen - denn bereits heute fehlen vielerorts Fachkräfte in diesen Bereichen. Mehr Gehalt könnte zudem mehr Männer in den Erzieherberuf locken, der bislang fast ausschließlich eine Frauendomäne ist. Allerdings werden auch nicht alle Pflegekräfte von einer Einigung profitieren: Für Krankenhäuser oder Seniorenheime in privater oder kirchlicher Trägerschaft gelten die Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst nicht. Während die Gewerkschaft ihre Forderungen angesichts der brummenden Wirtschaft und der sprudelnden Steuereinnahmen für gerechtfertigt hält, droht die Arbeitgeberseite mit dem Schreckgespenst Stellenabbau im öffentlichen Dienst. Tatsache ist, dass es bei den aktuellen Tarifverhandlungen angesichts der großen Zahl an Beschäftigten um Mehrkosten in Milliardenhöhe geht. Tatsache ist aber auch, dass schon jetzt Fachkräfte händeringend gesucht werden. Nach Einschätzung des Beamtenbundes dbb von Anfang Januar 2018 fehlen im öffentlichen Dienst derzeit mehr als 185 000 Mitarbeiter, davon allein 130 000 Erzieher. Auch an den Schulen (32 000), bei den Landespolizeien (8000), der Bundespolizei (500) und den Feuerwehren (4000) gibt es demnach erhebliche Lücken. Zudem sind Akademiker wie Informatiker und Bauingenieure gesucht. In der freien Wirtschaft lässt sich einfach mehr verdienen. Und auch das Argument, dass der öffentliche Dienst zwar weniger Geld, dafür aber mehr Sicherheit biete, gilt nicht mehr: Längst sind auch hier immer mehr Arbeitsverhältnisse befristet. Um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, müssen Bund und Kommunen ihren Mitarbeitern künftig mehr Geld bezahlen - gerade in den unteren Einkommensgruppen. Der Deutsche Städtetag äußerte zwar Verständnis für die Wünsche der Beschäftigten nach einer Lohnsteigerung, verwies aber zugleich auf die schlechte Kassenlage vieler Kommunen. Daran könnte aber eine neue Bundesregierung etwas ändern, indem sie die Städte und Gemeinden künftig mehr unterstützt - etwa, indem sie einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer erhalten. Inwieweit sich Verdi mit seinen Forderungen durchsetzen kann, wird sich zeigen. Die Gewerkschaft wird sicher wie im Frühjahr 2016 auf Warnstreiks setzen. Damals blieben Kitas geschlossen, Mülltonnen wurden nicht geleert und an mehreren deutschen Flughäfen fielen Flüge aus. Eine rasche Einigung wäre im Sinne aller Bürger wünschenswert.
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