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Mittelbayerische Zeitung: Im Amt, aber nicht an der Macht
Es sieht nicht gut aus für Theresa May: Mit den Rücktritten von Brexit-Minister Davis und Außenminister Johnson droht das Aus der Regierung. Von Jochen Wittmann

Regensburg (ots)

Lange hat die neue Kabinettsdisziplin nicht gehalten. Nachdem die britische Premierministerin Theresa May am Freitag ihre Minister zu einer Klausurtagung auf dem Landsitz Chequers einberufen hatte und auf einen gemeinsamen Kurs beim Brexit einschwören konnte, war die Hoffnung groß gewesen, dass jetzt alle Mitglieder der Regierung an einem Strang ziehen würden. Der in der Nacht zum Montag erfolgte Rücktritt von David Davis machte dem Optimismus einen Strich durch die Rechnung. Ausgerechnet der für den Austritt Großbritanniens aus der EU zuständige Minister hat kein Vertrauen in den Brexit-Plan seiner Chefin. Auch sein Stellvertreter, der Staatssekretär Steve Baker, trat zurück. Als neuer Brexit-Minister wurde der bisherige Staatssekretär für Kommunen, Dominic Raab, ernannt. Für die größte Überraschung sorgte dann allerdings der Außenminister. Boris Johnson, der nach dem Chequers-Treff den Eindruck verbreitet hatte, dass er mit dem neuen Deal leben könnte, nahm unerwartet gestern ebenfalls seinen Hut. Die Entscheidung fiel nur wenige Minuten, bevor die Premierministerin vor dem Unterhaus erschien. Für sie könnten sich die Demissionen zu einer der schwersten Krisen auswachsen seit dem enttäuschenden Wahlausgang vor einem Jahr, als sie die parlamentarische Mehrheit der Konservativen Partei verlor. Wenn weitere Brexit-Hardliner wie Handelsminister Liam Fox oder Umweltminister Michael Gove ebenfalls ihren Hut nehmen würden, käme es zur offenen Revolte innerhalb der Fraktion der Konservativen. Mays auf Chequers beschlossene Vorschläge laufen auf einen wesentlich weicheren Brexit hinaus, als ihn sich Davis oder Johnson wünschen konnte. Statt eines harten Schnitts will May ein Freihandelsabkommen mit der EU, bei dem das Königreich was den Warenverkehr anbelangt weiterhin die Regeln des Binnenmarkts befolgt und innerhalb eines gemeinsamen Zollarrangements verbleibt. Davis protestierte in seinem Rücktrittsschreiben, dass die Übernahme "des gemeinsamen Regelwerks die Kontrolle großer Teile unserer Wirtschaft an die EU übergibt". Damit wollte er sich nicht abfinden. Ein weiterer, von Davis allerdings nicht genannter Grund, dürfte die Rolle von Olly Robbins gewesen sein. Der hochrangige Beamte war bis zum September in Davis' Brexit-Ministerium für die Verhandlungen mit der EU zuständig gewesen. Dann holte ihn May als europapolitischen Berater in die Downing Street, wo er federführend für die Ausarbeitung der Brexit-Politik war. Davis selbst hat in diesem Jahr nur vier Stunden in Gesprächen mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier verbracht. Seine Unfähigkeit, den Kurs beim Brexit entscheidend gestalten zu können, dürfte ausschlaggebend für den Rücktritt gewesen sein. Kritisch für May wird nun sein, ob sich Johnson von den Hinterbänken der Unterhauses als Herausforderer positioniert, zum Sprachrohr eines harten Brexit macht und sich als Nachfolger für May anbietet. Der Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach von einer "Regierung im Chaos". Dass Davis "zu einem derart kritischen Zeitpunkt zurücktritt", schrieb er auf Twitter, "zeigt, dass Theresa May keine Autorität mehr hat und unfähig ist, den Brexit zu liefern". Tatsächlich sieht es nicht gut aus für May, wenn mit Davis und Johnson der sechste, beziehungsweise siebte Kabinettsminister seit November von der Fahne gegangen sind. Der Eindruck verfestigt sich, dass May im Amt, aber nicht an der Macht ist. Paradoxerweise könnte aber genau das ihr helfen bei den Verhandlungen mit Brüssel. Eine weitere Destabilisierung von May, die gerade auf einen weichen Brexit-Kurs eingeschwenkt ist, läge nicht im Interesse der EU.

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