Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Klima: Apokalypse Klima? von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Alles lechzt nach Abkühlung, nach Regen. Doch die Hitze hat Mitteleuropa weiter fest im Klammergriff. Fast haben wir uns an die Fernsehbilder von brennenden Wäldern, ausgedörrten Feldern, Flüssen mit Niedrigwasser gewöhnt. Wohl nicht einmal mehr Urlauber können sich über diesen Extrem-Sommer noch so richtig freuen. An Nord- und Ostsee ist es so heiß wie sonst am Mittelmeer. Dabei gibt uns der Hitzesommer einen Vorgeschmack auf die Zukunft. Natürlich sind das lokale Wetter, Extreme wie jetzt, und der längerfristige Wandel des Klimas nicht dasselbe. Aber beide Phänomene sind eng miteinander verwoben. Das Wetter kann rasch umschlagen. Der Hitze kann Abkühlung folgen, ein Tief folgt einem Hoch. Und umgekehrt. Doch langfristig betrachtet, folgt das Wetter dem Klima. Eine Meldung ging in den vielen Nachrichten über die Gluthitze beinahe unter: Klimaforscher haben so eindringlich wie noch nie vor dramatischen Veränderungen gewarnt. Der neue Begriff der Wissenschaftler, der aufrütteln soll, lautet: Heißzeit. Also genau das Gegenteil von Eiszeit, die für dicke Eispanzer, Gletscher, klirrende Kälte steht. Aber haben die Forscher mit ihrem Szenario von einer globalen Erderwärmung von vier bis sechs Grad und einem dramatischen Anstieg des Meeresspiegels um 60 Meter(!) nicht völlig übertrieben, eine Apokalypse des Klimas an die Wand gemalt? Gemach. Die Forscher haben nur all jene Prozesse untersucht und nach vorn geschrieben, die das weltweite Klima beeinflussen. Und dabei sind sie in ihren von Hochleistungscomputern gerechneten Prognosen in der Tat auf höchst beunruhigende Ergebnisse gestoßen. Dass nämlich das Klima wirklich außer Rand und Band geraten könnte, wenn nicht entschlossen gegengesteuert werden würde. Das internationale Forscherteam wollte nicht Ängste schüren, nicht Alarmismus oder Pessimismus auslösen - hat doch alles keinen Zweck -, sondern ganz im Gegenteil zum Umsteuern aufrufen, wachrütteln. Anders als notorische Leugner des Klimawandels, von Donald Trump bis zur kurzsichtigen AfD, sind sowohl die bereits sichtbaren Veränderungen ein Faktum, als auch die sich abzeichnende weitere Entwicklung des Klimas nicht zu bestreiten. Nur noch einige wenige Wissenschaftler leugnen, dass die jetzigen Klimaveränderungen von Menschen gemacht sind, sich seit der Industrialisierung vor rund 150 Jahren immer weiter beschleunigt haben. Aber kann man überhaupt noch etwas gegen die drohende Erderwärmung tun? Aber klar doch. Es gibt längst Technologien, mit denen etwa Energie aus nachhaltigen Quellen - aus Sonne, Wind oder Planzen - gewonnen werden kann, mit deutlich weniger oder gar keinem Ausstoß von Klimagasen, wie Kohlendioxid. Allerdings ist Deutschland, das einst der Vorreiter auf diesem Gebiet war, beim Umsteuern ins Stottern geraten. Und die Groß-Koalition in Berlin, die wochenlang über die Flüchtlingspolitik stritt, hat nicht einmal den Mut, die schmutzigsten Kohlekraftwerke still zu legen. Von einer "Verkehrswende" ist das Land der Lkw-Transporte, der großen, spritfressenden Autos und der ebenfalls beliebten Billigflüge meilenweit entfernt. Allerdings kann man Nachlässigkeit in Klimafragen nicht allein Verbrauchern anlasten. Auch nicht allein der Wirtschaft, Autobauern oder Kraftwerksbetreibern etwa. Es liegt vielmehr in der Verantwortung der Politik, mutig einen klimafreundlicheren Kurs einzuschlagen, klare Vorgaben für die Reduktion von Treibhausgasen zu machen - und deren Einhaltung zu kontrollieren. Und dazu braucht es einen langen Atem. Es mag sein, dass der Aufstieg der grünen Ökopartei in den Umfragen damit zu tun hat, dass das Klimathema derzeit niemanden kalt lässt.
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