Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Den Ball flach halten" von Jürgen Scharf
Regensburg (ots)
FC Bayern München gegen Real Madrid - das ist eines der legendärsten Duelle, die es im Fußball gibt. Mehr als zwei dutzend Mal trafen die beiden Klubs im Europapokal schon aufeinander. Zig Millionen Menschen schauten zu, wenn Superstars wie Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus, Zinedine Zidane oder Cristiano Ronaldo spielten. Nun wurde bekannt, dass es Überlegungen gibt, es nicht mehr dem Los zu überlassen, wann die beiden Vereine aufeinander treffen. In der sogenannten Super League würden sie es jedes Jahr - und das wäre auch bei Weitem nicht so schlimm, wie es von Kritikern dargestellt wird. Die Pläne zur Super League wurden im Rahmen der "Football Leaks" enthüllt. Der neue Wettbewerb soll eine Alternative zur vom europäischen Fußballverband Uefa ausgetragenen Champions League sein. Das Konzept ist einfach: Die größten Vereine müssen sich für den Europapokal gar nicht mehr qualifizieren, sondern haben ein festes Startrecht. Und sie spielen auch nur noch untereinander. Als diese Überlegungen bekannt wurden, war der Aufschrei groß. Viele Fans und Vereinsfunktionäre sprachen von Geldgier der Spitzenklubs. Die Schere zwischen den ganz großen und den nicht so großen Vereinen würde so weiter auseinander gehen, hieß es. Und die nationalen Ligen damit entwertet. Unterm Strich ist alles aber erstmal vor allem eins: viel Lärm um Nichts. Es gilt als gesichert, dass die europäischen Spitzenklubs die Super-League-Pläne zunächst einmal in erster Linie einzig und allein aus einem Grund aus der Taufe gehoben haben: um gegenüber der Uefa bei der Verteilung der Einnahmen eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Das hektisch zusammengedichtete Schreckensszenario, dass der FC Bayern und Borussia Dortmund die Bundesliga verlassen würden, um nur noch in der Super League zu spielen, ist eine Fabel, für die es keine wirklichen Anhaltspunkte gibt. Vielleicht treten die Münchner und die Dortmunder parallel zur Bundesliga irgendwann aber wirklich in einer Super League an. Einer Elite-Liga nach amerikanischem Vorbild, aus der die Top-Klubs nicht absteigen können. Das muss man nicht gut finden, die breite Empörung der vergangenen Tage ist aber völlig überzogen. Wenn sich mehrere Klubs dazu entscheiden, eine eigene Liga zu gründen, tun sie zunächst einmal nichts Verbotenes. Und dass über die Super League überhaupt nachgedacht wird, liegt maßgeblich daran, dass für die Übertragungen dieser Spiele extrem hohe Einschaltquoten prognostiziert werden. In der Tat gibt es nämlich viele Menschen, die einfach gerne Spiele wie Bayern München gegen Real Madrid sehen - und gerne auch jedes Jahr. Insgesamt täte insbesondere die deutsche Fußball-Szene gut daran, nicht immer nur und bei allem mit erhobenem Zeigefinger herumzulaufen. Mittlerweile wird auch viel zu vieles in einen Topf geworfen und alles verdammt - koste es, was es wolle. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wenn im Fußball bei der Vergabe von großen Turnieren oder beim Financial Fairplay der Uefa manipuliert wird, muss dies untersucht und verurteilt werden. Wenn in diesen Fällen geheime Dokumente an die Öffentlichkeit kommen, die zur Wahrheitsfindung beitragen, können auch grenzwertige Methoden bei der Beschaffung dieser Dokumente als vertretbar eingestuft werden. Schließlich geht es darum, Unrecht zu beweisen. Wenn aber, wie zuletzt mehrmals geschehen, Verträge von Top-Fußballern "gehackt" werden, um deren Millionenverdienste offenzulegen, wird damit selbst eine Grenze zum Unrecht überschritten. Die riesigen Geldsummen, die im Fußball hin- und hergeschoben werden mögen völlig überzogen sein - verboten sind sie aber nicht. Und dass Vereine wie bei der Super League über Konzepte nachdenken, wie sie noch mehr verdienen können, ist ebenfalls nicht verboten. Irgendwie ist das sogar, jetzt mal Hand aufs Herz, durchaus verständlich.
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