Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Nur einen Tweet vom Ende entfernt" von Thomas Spang zu Trump
Regensburg (ots)
Es gibt jeden Grund, nervös zu sein. Ein einziger Tweet des Präsidenten reichte, die Machtkonstellation im Mittleren Osten zu verändern. Mit dem nächsten Gezwitscher könnte er den Rückzug aus der NATO bekannt geben. Wer das nicht glauben will, sollte das Rücktrittsschreiben des Vier-Sterne-Generals an der Spitze des Pentagon einmal genau lesen. Weil Mattis aus schmerzhafter Erfahrung weiß, wie Trump tickt, hat er seine Mission aufgegeben, die USA und deren Alliierten vor dem Schlimmsten zu bewahren. Der Präsident hört mehr auf seinen falschen Freund in Moskau als auf den Rat seines gesamten nationalen Sicherheitsapparats. Selbst wenn Trump keine Marionette Putins ist, verhält er sich kaum anders. Seine einsame Entscheidung, die USA aus Syrien ganz und aus Afghanistan teilweise zurückzuziehen, stand ganz oben auf dem strategischen Wunschzettel des Kreml. Dadurch degradiert der US-Präsident die Supermacht zu einem Zuschauer im Mittleren Osten und am Hindukusch, während Russland die Rolle des Spielmachers einnimmt. Mattis macht sich spätestens seit einer geheimen Strategiesitzung im Lageraum des Pentagon Mitte vergangenen Jahres keine Illusionen über die Differenzen zu der Weltsicht des "Amerika-Zuerst"-Präsidenten. Als er Trump zu erklären versuchte, was die Vorzüge der Nachkriegs-Ordnung mit ihrem Netzwerk aus Bündnissen und internationalen Organisationen seien, zuckte dieser bloß mit den Schultern. Genau dies wolle er nicht. Donald Trump schwebt eine hochgerüstete Festung Amerika vor, die sich in absolut jeder Beziehung vom Rest der Welt abschottet. Beim Handel, bei der Zuwanderung und der Sicherheit. Isolationismus statt Intervention. Außenpolitik als Nullsummen-Spiel. Mauer statt Mexikaner und Muslims. Richtig ist in Trumps Augen, was die USA reicher macht. Wer etwas von der Supermacht will, muss ihr etwas geben. Der Paradigmenwechsel deutete sich mit dem Eklat beim G-7-Treffen, dem Mobbing der Bündnispartner beim NATO-Treffen, der Aufwertung von Diktatoren wie Kim Jong-Un und der Nonchalance gegenüber dem mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an dem saudischen Regimekritiker Jamal Khashoggi bereits an. Ein ums andere Mal räumte Mattis bei den Alliierten hinter Trump auf. An ihm hingen die Hoffnungen, ein Bollwerk gegen die Zerstörung der liberalen Weltordnung zu haben. Das sahen auch in den USA viele Außenpolitiker so. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Bob Corker, zählte Mattis einmal zu den Personen im Kabinett, die "das Land vor dem Absturz ins Chaos bewahren". Mit ihm geht nun der letzte der sogenannten "Erwachsenen". Als ersten hatte Trump seinen Außenminister Rex Tillerson gefeuert. Dann musste der Nationale Sicherheitsberater und NATO-Freund H.R. McMaster gehen. Erst kürzlich drängte der Präsident seinen Stabschef im Weißen Haus John Kelly in den Ruhestand. "Mad Dog" Mattis ließ es nicht dazu kommen, der Nächste zu sein. Erhobenen Hauptes räumte er selber das Feld und nutzte seinen Abgang für eine letzte, eindringliche Warnung. Dieser Präsident meint, was er sagt. Er knickt vor Autokraten und Diktatoren ein, statt die Prinzipien der freien Welt hochzuhalten. Trump lässt sich weder "einhegen" noch kontrollieren. Auf ihn ist kein Verlass. Der Rest der westlichen Welt muss daraus schleunigst Konsequenzen ziehen. Die Nachkriegsordnung, die sieben Jahrzehnte Freiheit und Wohlstand brachte, ist vielleicht nur noch einen Tweet von ihrem Ende entfernt.
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