Mittelbayerische Zeitung: Ein Zeitplan für die Bahn
Der Verkehrsminister muss erklären, welche Leistungen die Bahn erbringen soll - und wie viel Geld er dafür ausgeben will. Von Christine Strasser
Regensburg (ots)
In einem spektakulären Werbespot der Deutschen Bahn, der im vergangenen Jahr herauskam, erwischt Rennfahrer Nico Rosberg auf den letzten Drücker seinen ICE. Der ist natürlich total überfüllt. Auf dem Weg zu seinem Sitzplatz drängelt und turnt er sich durch eine indische Hochzeitsgesellschaft, stößt mit dem Schaffner zusammen und muss auf Kleinkinder aufpassen, die auf dem Gang krabbeln. Das alles macht dem ehemaligen Formel-1-Weltmeister aber riesigen Spaß. Im gleichen Zug werden digitale Services der Bahn vorgestellt, die alles leicht für die Bahnreisenden machen sollen. Dazu läuft der Hit "The Passenger" von Iggy Pop. Als Rosberg dann schließlich den gesamten Zug durchquert hat und an seinem vermeintlichen Sitz ankommt, ist der schon besetzt. Iggy Pop sitzt dort - mit freiem Oberkörper - und sagt in wunderbarstem Bahn-Deutsch grinsend: "Sorry, geänderte Wagenreihung". Ein wenig Selbstironie schadet nie. Aber bei der Deutschen Bahn (DB) ist auch dieser Zug irgendwie abgefahren. Die Kunden verzeihen dem Konzern so gut wie nichts mehr. Zu viel haben sie in den vergangenen Jahren mitgemacht. Völlig egal, ob man sich durch die sozialen Medien klickt, an der Supermarktkasse steht oder im Restaurant isst: Überall sind die scharfzüngigen, bemüht ironischen, oft auch bloß wutgetränkten Kommentare zu hören. Auf die Bahn zu schimpfen, ist einfach. Zu viele Züge sind unpünktlich und zu voll. Die Tarife sind unüberschaubar. Und wer spontan einsteigt, zahlt besonders hohe Preise für einen Service, der oft schlecht und manchmal auch einfach gar nicht vorhanden ist. Wer in Ostbayern auf den Zug wartet, denkt außerdem oft ohnehin erst gar nicht in der Dimension ICE. Der schnellste Zug der DB hält an den kleinen, gläsernen Wartehütten mit den stählernen Gitterbänken, die vielerorts auf einen Streifen Beton gesetzt wurden, in den allermeisten Fällen gar nicht. Kritik an der DB ist berechtigt. Mehr Regionalzüge sind in Bayern zu spät gekommen als in den Vorjahren. Kurzum: Das Image ist schlecht und nahezu jedes Klischee stimmt. Die Empörungswelle, die regelmäßig über den Konzern schwappt, führt trotzdem nicht weiter. Sie walzt jede sachliche Diskussion platt. Ohne so eine Diskussion geht es aber nicht. Inzwischen pendeln mehr als eine Million Menschen mit dem Zug zur Arbeit, zwei Millionen Menschen leben in Fernbeziehungen. Die Zahl der Fahrgäste der Bahn hat sich entsprechend seit 2002 um fast ein Drittel erhöht. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen es bis 2030 sogar doppelt so viele Bahnreisende werden. Angesichts von Klimawandel, verstopften Straßen und Luftverschmutzung in den Städten hält sie es für wünschenswert, dass noch mehr Menschen Bahn fahren. Viele Fahrgäste der Bahn stimmen da sicher zu. Sie erwarten aber Besserungen bei Qualität und Pünktlichkeit. Vielleicht müssen diese Besserungen gar nicht rasend schnell umgesetzt werden, aber die Bahnfahrer würden gerne einfach einmal ein Licht am Ende des Tunnels erkennen können. Damit kaputte Weichen, veraltete Züge und Verspätungen den Bürgern das Bahnfahren nicht auf ewig vermiesen, muss der Staat investieren. Das ist aber nur das eine. Denn auch in den vergangenen Jahren sind Milliarden geflossen und trotzdem ist die Misere heute groß. Noch mehr als Geld, braucht es also einen Plan. Hier ist der Bund gefordert. Er muss seine Eigentümerroller ernsthaft wahrnehmen. Verkehrsminister Andreas Scheuer muss eine klare Ansage machen, welche Leistungen der Staat von der Bahn aus verkehrspolitischer und aus ökologischer Sicht erwartet. Gleichzeitig muss er sagen, was er dafür zu zahlen bereit ist. Im Anschluss muss der Bahn-Vorstand auf dieser Grundlage einen Plan entwickeln und diesen dann Zug um Zug umsetzen - nach einem klar vorgegebenen Zeitplan.
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