Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Greta Thunberg: Die große Greta-Show von Jana Wolf
Regensburg (ots)
Greta Thunberg hat es auf den Thron geschafft, genauer: auf das Cover des renommierten US-Magazins "Time". Wie ein Engel sitzt sie da: angestrahlt vom Licht, eingehüllt in ein grün-schimmerndes Kleid, mit festem Blick in Richtung des Betrachters. "Next Generation Leaders" - "Führungspersonen der nächsten Generation" steht dick gedruckt daneben. Und tatsächlich zierten bereits führende Persönlichkeiten wie Merkel, Trump oder die Nobelpreisträgerin Malala Yousafzai dieses Titelblatt. Geht es nach der "Time", steht die 16-jährige Pionierin der weltweiten Klimaschutz-Proteste nun in gleichem Rang. Die Inszenierung der Greta Thunberg hat ein neues Level erreicht. Das Bild dieser majestätisch in Szene gesetzten Figur irritiert, weil es so gar nicht zur echten Greta Thunberg passt: Eine bis vor wenigen Monaten noch unbekannte Jugendliche, die mit einem Pappschild mit der Aufschrift "Schulstreik fürs Klima" zu demonstrieren anfing; die mit ihren Flechtzöpfen und Kapuzenpullis alles andere als pompös, sondern uneitel daherkommt. Sicher, sie hat seitdem weltweite Proteste losgetreten, vor der UN-Klimakonferenz, beim Wirtschaftsforum in Davos und beim Papst vorgesprochen. Dennoch wird Greta Thunberg überhöht und zur Ikone stilisiert. "Als ich an Greta dachte, wollte ich, dass dieses Foto anders wird, weil ihre Geschichte größer als das Leben ist", sagt "Time"-Fotografin Hellen van Meene über ihre Aufnahme. Greta Thunbergs Leben wird in ein gemäldeartiges Bild gegossen, obwohl die Bewegung, die sie anstieß, alles andere ist als starr: "Fridays for Future" ist dynamisch, kraftvoll und am wachsen. Solche Darstellungen sind deshalb problematisch, weil sie Kritikern und Klimawandel-Skeptikern Futter für ihre kruden Thesen bieten: "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt sprach von einer "Klimareligion", die "FAZ" verglich die Schülerdemos mit einem "Kinderkreuzzug", laut FDP-Chef Christian Lindner würden die Schulschwänzer "heiliggesprochen". Und die AfD, die lieber den Diesel als das Klima retten will, faselt etwas vom "Klimakult" der EU. Wird Greta Thunberg nun als grüner Engel abgelichtet, sehen sie sich in ihren Äußerungen bestätigt. Gemein haben sie alle, dass sie den Klimaschutz zur Glaubenssache machen, die nicht belegbar sei. Das ist schlichtweg falsch. Es ist vielfach erforscht und bewiesen, dass die Erderwärmung ebenso wie die Emissionen von CO2 und Treibhausgasen ansteigen. Wissenschaftler bekräftigen das Anliegen der Proteste, die auf die Notwenigkeit zu mehr Klimaschutz pochen. Überzeichnete Greta-Darstellungen lenken von dieser faktenbasierten Forderung nur ab. Auch in eine andere Richtung wird die "Fridays for Future"-Dynamik für eigene Zwecke genutzt: Nämlich von jenen, die zwar für mehr Klimaschutz sein mögen, aber zugleich eine eigene Agenda verfolgen. So fordert zum Beispiel Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, angesichts der Schüler-Proteste das Wahlrecht ab 16 Jahren, um jungen Leuten mehr politische Teilhabe zu ermöglichen. Barley kommen die Demos gerade recht, um ein eigenes Wahlkampfthema zu setzen. Und wenn der Autobauer VW die 18-jährige "Fridays for Future"-Aktivistin Clara Mayer auf seiner Hauptversammlung reden lässt, dann tut er das nicht aus lauter Liebe zur Umwelt, sondern um das eigene Image aufzupolieren und um zu zeigen: Öko können wir auch! Jede Bewegung braucht ein Gesicht und viele Proteste werden erst durch mutige Vorkämpfer groß. Das war schon vor Greta Thunberg so. Ein lokaler Beweis sind die Oberpfälzer WAA-Proteste mit ihrem Pionier Hans Schuierer. Trotzdem sollten diese Personen nicht zu Heilsbringern stilisiert werden. Greta Thunberg ist eine Katalysatorin, Mutmacherin und Inspiration. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr.
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