Leitartikel zur Kommunalwahl in Bayern: Stimmungstest in Corona-Zeiten von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
Die Kommunalwahl ist Stimmungsbarometer in wechselhaften politischen Zeiten. Zentrale Fragen: Wie stark oder schwach bleibt die CSU in den Großstädten und auf dem Land? Setzt sich der Höhenflug der Grünen fort? Wie tief schlägt die AfD in den Stadträten und Kreistagen Wurzeln? Und das alles in Corona-Zeiten, in denen die Rangordnung der Top-Themen auf den Kopf gestellt ist. Denn was noch vor zwei Wochen die Agenda beherrschte - von der Klimapolitik bis zum Flüchtlingselend in Griechenland, von der Wohnungsnot bis zum Flächenfraß, von der Regensburger Spendenaffäre bis zu ungeliebten Stromtrassen - hat deutlich an Bedeutung verloren. Mit der Corona-Krise wuchs die Sehnsucht nach erfahrenen politischen Köpfen, die Kommunen besonnen durch Gefahren manövrieren. Die große Verunsicherung war in den vergangenen Tagen in sozialen Netzwerken zu spüren. Die Kommunalwahl zeigt aber beruhigenderweise, dass das Corona-Virus nicht alles völlig aus dem Takt bringt. Die oft hohe Wahlbeteiligung beweist, dass politische Mitsprache einen hohen Wert behält. Im Zweifel wurde per Briefwahl abgestimmt. Die erste Wahlbilanz fällt gemischt aus: Erfolgreiche Kommunalchefs konnten ihre Stellung behaupten. Das gilt für die Regensburger Landrätin Tanja Schweiger (Freie Wähler) genauso wie für den Chamer Landrat Franz Löffler (CSU) oder den Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU). Die Kommunalwahl bleibt eine Persönlichkeitswahl, bei der das Parteibuch nicht die Hauptsache ist. Dort, wo Chefsessel neu besetzt werden mussten, errang die CSU wie in Regensburg, Nürnberg oder Weiden bemerkenswerte Achtungserfolge. Bei den Grünen bestätigte sich der Aufwärtstrend, allerdings meist nicht so stark, wie Umfragen zur Landespolitik zuletzt möglich erscheinen ließen. Die AfD spielte wiederum verdientermaßen eine Nebenrolle. Auf kommunalpolitischer Bühne taucht sie ja quasi auch nicht auf. Ansonsten gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die spannendsten Entscheidungen werden erst in zwei Wochen bei den Stichwahlen fallen, sofern diese angesichts der rasanten Ausbreitung des Corona-Virus in geplanter Form stattfinden können. Die Briefwahl dürfte in bisher nie da gewesener Form wichtigstes Abstimmungsinstrument sein. Grundsätzlich zeigt die Kommunalwahl 2020: Durch neue Mitspieler bröckelt die Machtbasis der Volksparteien weiter ab. Man mag die Neuformation der politischen Landschaft optimistisch als "bunt" oder pessimistisch als "zersplittert" bezeichnen. Fakt aber ist: Stichwahlen werden zum Normalzustand. Schon allein weil das Bewerberfeld in den Kommunen teils riesig ist. So stiegen in Regensburg elf OB-Kandidatinnen und -Kandidaten in den Ring. In der Oberpfälzer Bezirkshauptstadt spielte sich überhaupt einer der interessantesten Kämpfe um einen OB-Sessel in Bayern ab. Die Überraschung des Wahlabends ist, wie außergewöhnlich gut der suspendierte Noch-OB Joachim Wolbergs abschnitt, auch wenn sein Ergebnis nicht für die Stichwahl reicht und er seinen Traum auf ein Comeback begraben muss. Entscheidend ist nun, wer in der Stichwahl das Wolbergsche Wählerklientel und auch das des unterlegenen Grünen-Kandidaten auf seine Seite ziehen kann. SPD-Frau Gertrud Maltz-Schwarzfischer hat wohl bessere Karten, auch wenn CSU-Frau Astrid Freudenstein nach dem ersten Wahlgang vorn liegt. Wenn nach den Stichwahlen alle Chefsessel in Rathäusern und Landratsämtern besetzt sind, beginnt für die siegreichen Kandidaten der wirkliche Kraftakt: Gemeint ist nicht nur das vielerorts schwierige Schmieden von Mehrheiten. Eine Hauptaufgabe des ersten Amtsjahres wird das Corona-Krisenmanagement sein - und der Versuch, die Folgen des Shutdowns in Bayern zumindest abzufedern.
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