Trumps neuer Sündenbock
Eben noch lobte der US-Präsident die Chinesen für die Bekämpfung des Corona-Virus. Weil seine eigene Regierung versagt hat, verbreitet er nun Verschwörungstheorien.
Regensburg (ots)
Um es vorneweg zu sagen: China muss mit der internationalen Gemeinschaft kooperieren, um die Herkunft des Covid-19-Erregers zu klären. Das ist wichtig für die Vermeidung künftiger Pandemien und die Entwicklung von Strategien, die helfen, frühzeitig zu intervenieren. Die Forderung nach mehr Transparenz hat jedoch nichts mit dem rein politisch motivierten Eindreschen des US-Präsidenten auf Peking zu tun. Zumal dieses recht plötzlich kommt. Zwischen Anfang des Jahres und Ende Februar allein pries Trump seinen chinesischen Kollegen Xi Jinping öffentlich mindestens fünfzehn Mal in höchsten Tönen für dessen Handhabung des Corona-Ausbruchs in Wuhan. Zwei Monate und mehr als eine Million Infizierte später vollzieht der Präsident eine Kehrtwende. Angesichts sinkender Umfragewerte versucht Trump seine Lobhudeleien auf Xi vergessen zu machen und China sowie die Weltgesundheitsorganisation zu Sündenböcken für sein eigenes Versagen zu machen. Statt Transparenz, Kompetenz und Zusammenarbeit hervorzuheben, wirft der US-Präsident Peking nun Geheimniskrämerei, Schlamperei und Alleingänge vor. Und er geht noch einen Schritt weiter. Von der Kanzel des Weißen Hauses verbreitet Trump eine glatte Lüge, wenn er behauptet, er habe Beweise dafür, dass der für die globale Pandemie verantwortliche Covid-19-Erreger aus einem Virenlabor in Wuhan stammt. Da weiß der Präsident mehr als seine eigenen Geheimdienste, die diesen Nachweis nicht führen können. Mit Gewissheit sagen können sie aber, dass das Corona-Virus nicht "von Menschen gemacht oder genetisch verändert worden ist". Dass Trump die Geheimdienste drängt, seine kühne Behauptung über das Virenlabor zu untermauern, erinnert an das Vorgehen George W. Bushs. Der hatte öffentlich so getan, als sei die Existenz von Massenvernichtungswaffen in Irak eine gesicherte Erkenntnis, ohne dafür auch nur einen einzigen Beweis zu haben. Die Amerikaner haben in Irak einen hohen Preis für die Instrumentalisierung ihrer Geheimdienste bezahlt. In diesem Fall ist es noch bedenklicher, weil Trumps "Labor"-Behauptung alle Zutaten einer Verschwörungstheorie haben. Er liefert keinen Beweis für seine Anschuldigung, die nach Ansicht der meisten US-Virologen "astronomisch unwahrscheinlich" ist. Der Verbreiter der Lügengeschichte über Barack Obamas angeblichen Geburtsort in Kenia benutzt diese Verschwörungstheorie nun schamlos, davon abzulenken, dass unter seiner inkompetenten Führung in der Pandemie schon mehr Amerikaner ums Leben kamen, als während des Vietnamkriegs. Als Gipfel der Dreistigkeit beschuldigte der Präsident seinen Herausforderer im November, Joe Biden, der Wunschkandidat der Chinesen zu sein. Tatsächlich hätte sich Xi in seinen Fieberträumen keinen US-Präsidenten vorstellen können, der Ansehen und Einfluss der Supermacht so ramponieren würde, wie der Amtsinhaber. Als internationales Symbol des Versagens stehen die Flieger mit Lieferungen von medizinischer Schutzausrüstung aus Russland, Taiwan und China. Früher waren es die USA, die bei großen Katastrophen anderen Hilfe schickte. Während China die Pandemie unter Kontrolle bekommt, lässt die "Amerika-Zuerst"-Regierung ihre Bürger im Stich. Trump geht es bei seiner China-Kehrtwende nicht darum, die Herkunft des Virus herauszufinden, sondern sich im Wahljahr politisch zu immunisieren. Genau das empfiehlt ein an die Medien durchgesickertes Strategiepapier der Republikaner Kandidaten der Partei im Wahljahr. Mit der China-Hetze und den Angriffen auf die WHO wirft er seinen nationalistischen Anhängern rohes Fleisch vor - nicht mehr und nicht weniger.
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