Leitartikel zu Trump/USA: Trumps alternative Wirklichkeit von Thomas Spang
Regensburg (ots)
Die Absurdität des Arguments müsste es eigentlich sofort entkräften. Trump warnt angesichts der Unruhen in seiner Amtszeit vor dem Chaos einer künftigen Präsidentschaft Joe Bidens. Als ob die Gewalt in Portland, Kenosha und anderen Städten nichts mit seiner eigenen Politik zu tun hätte, sondern irgendwie Vorbote einer heranziehenden Gefahr sei. Dabei sind es seine Anhänger, die sich wie der Mob in den 30er Jahren in Europa verhalten, der damals die Vertreter der Demokratie herausforderte. Heute marschieren sie nicht in Kampfstiefeln auf, sondern mit Pickup-Trucks, Trump-Fahnen und rassistischen Symbolen. Es ist eine Mischung aus Super-Fans, Krawallmachern, Milizionären, QAnon-Anhängern und Rechtsextremen, die Gewalt provoziert. Dass sich der selbst ernannte Retter der Hausfrauen in den weißen Vororten als Brandstifter in Amerikas Städten profiliert, sollte die zynische Strategie vollends diskreditieren. Erst recht sein Salut für den in Portland getöteten Rechtsextremisten. Aber der Präsident hat wiederholt bewiesen, dass er sich auf Demagogie versteht. Wer Trumps Kandidatenrede auf dem Krönungsparteitag vergangene Woche verfolgt hat, erlebte eine verrückte Show mit einem irren Finale, in dem die Welt auf dem Kopf steht. Nicht er ist der Radikale, vor dem sich die Nation fürchten muss, sondern der brave "Onkel Joe". Biden als Marionette der Linken, der schafft, was weder Karl Marx noch Malcom X vermochten: den Sozialismus nach Amerika zu bringen, Gott abzuschaffen und die schönen weißen Vororte der Städte dem Mob zu überlassen. Der Präsident setzt bei seiner Propaganda und der alternativen Wirklichkeit, die er erschafft, auf einen mächtigen Urstrom, der die amerikanische Gesellschaft bis heute bewegt. Ein Blick nach Kenosha genügt, zu begreifen, was diesen antreibt. Da feuert ein weißer Polizist sieben Kugeln in den Rücken eines unbewaffneten Schwarzen. Umgekehrt lassen die Beamten einen 17-jährigen weißen Rechtsextremisten nach dessen Todesschüssen auf "Black-Lives-Matter"-Aktivisten unbehelligt von Dannen ziehen.Trumps Herausforderer Joe Biden muss aufpassen, nicht das Schicksal von John Kerry und Michael Dukakis zu teilen, die am Ende des Wahlkampfs als Weicheier und Karikaturen ihrer selbst diskreditiert waren. Die sogenannten "Swift-Boat"-Veteranen schafften es 2004, den Vietnam-Kriegshelden Kerry mit einer Schmierkampagne aus Lügen und Verdächtigungen zu demontieren. Im Fall Dukakis war es 1988 ein Fernsehspot, der den Demokraten mit dem Schwarzen Willie Horton in Verbindung brachte, der bei einem Hafturlaub eine weiße Frau ermordet hatte. In beiden Fällen mobilisierten die republikanischen Kandidaten Ängste und Vorurteile in der weißen Wählerschaft. Sowohl Kerry als auch Dukakis versäumten es, sich gegen die als absurd empfundenen Vorwürfe rechtzeitig zu wehren. Diesen Fehler darf Biden nicht wiederholen. So offenkundig die Lügen Trumps auch sein mögen, muss der Herausforderer die kollektive Aufmerksamkeitsstörung seiner Landsleute mit ins Kalkül einbeziehen. Und sie immer wieder daran erinnern, wer die Verantwortung für die Dreifach-Krise aus Pandemie, Massenarbeitslosigkeit und Polizeigewalt trägt. Es gibt zudem genügend schlecht informierte Wähler, die förmlich mit der Nase auf den Zynismus der Strategie Trumps gestupst werden müssen. Es liegt in den kommenden Wochen an Biden, die absurden Behauptungen des amtierenden Präsidenten kraftvoll abzuwehren und sie der Lächerlichkeit preiszugeben.
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