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Leitartikel zum TV-Duell im US-Wahlkampf: Monolog statt Debatte von Thomas Spang

Regensburg (ots)

Das war kein klassisches Präsidentschafts-Duell, sondern ein Blick zurück nach vorn in ein autokratisches Amerika, wie es sich Donald Trump vorstellt. Wie schon in den vergangenen dreieinhalb Jahren im Weißen Haus so hielt sich der US-Präsident in den 90 Minuten nicht an eine einzige Regel. Stattdessen versuchte er, alle Anwesenden mundtot zu machen. Trump missbrauchte den Moderator, seinen Herausforderer und die Wähler. Das Gepolter, die Lügen und die Unanständigkeiten Trumps machten eines deutlich: Dieser Mann tritt nicht gegen einen Herausforderer an, sondern die Demokratie selbst. Der Amtsinhaber ließ keinen Zweifel daran, alles andere als einen eigenen Sieg nicht anerkennen zu wollen. Seine erfundenen Behauptungen über die Integrität der Wahlen, klingen wie die lahme Ausrede eines Verlierers, der weiß wie es um seine Aussichten für eine Wiederwahl steht. Der demokratische Kandidat Joe Biden bemühte sich darum, einen zivilen Diskurs zu führen. Nicht einmal erlaubte ihm Trump, ein Argument ungestört auszuführen. Das Verhalten Trumps zwang den überforderten Fox-Moderator Chris Wallace dazu, Partei zu ergreifen und den Präsidenten zurechtzuweisen. Während es Trump darum ging, seiner Basis zu beweisen, dass er seinen Gegner dominieren kann, versuchte Biden den Poltergeist zu ignorieren und sich direkt an die Wähler zu wenden. Er lachte über die Lügen hinweg. An einer Stelle ließ er sich entnervt dazu hinreißen, Trump als "Clown" zu bezeichnen. Für Biden, der in nationalen Umfragen und in denen der Wechselwählerstaaten stabil führt, lag die Latte niedrig. Der Präsident verspottet seinen Konkurrenten im Wahlkampf regelmäßig als "schläfrigen Joe". Der 77-jährige Biden wisse nicht einmal, ob er lebt, lästerte der Präsident kürzlich. Biden entsprach in Cleveland jedoch keineswegs der Karikatur eines senilen Politikers und er verkörperte erst recht nicht die Marionette einer linksradikalen Partei. Die Taktik des Präsidenten ging nicht auf. Er verspielte seine vielleicht letzte Chance, die Dynamik im Wahlkampf noch einmal zu verändern. Das Rennen um das Weiße Haus ist seit Anfang des Jahres überraschend unverändert. Der Abstand von knapp sieben Prozent im Durchschnitt aller nationalen Umfragen hat sich praktisch nicht verändert. Auch in den entscheidenden Wechselwähler-Staaten führt Biden mit Werten um die 50-Prozent-Marke. Die Faustformel von US-Wahlkämpfen besagt, dass Debatten nur dann etwas bewegen, wenn Kandidaten kapitale Fehler begehen. Das widerfuhr 1960 dem blassen Richard Nixon, dem im Scheinwerferlicht die Schweißperlen herunterliefen, während John F. Kennedy jugendlichen Optimismus ausstrahlte. Vierzig Jahre später kam Al Gore im Fernsehduell mit George W. Bush so sehr als Bully rüber, dass er die Sympathien der Amerikaner verlor. In allen anderen Wahlkämpfen lassen sich so gut wie keine Veränderungen in den Umfragen feststellen. Für Biden reichte es deshalb, ohne größere Patzer durch die Debatte zu kommen. Trump könnte mit seinem beispiellos negativen Auftritt dagegen Wähler abgeschreckt haben. Allen voran die Frauen in den Vororten ab, als deren Retter er sich inszeniert. Seine Weigerung, sich von Rechtsextremisten zu distanzieren, Maske zu tragen und den Konsens der Wissenschaft von Covid-19 bis zum Klimawandel zu akzeptieren, gewinnt ihm keine einzige moderate Stimme. Und die persönlichen Attacken gegen Bidens Familie unterstrichen die eisige Kälte, die dieser skrupellose Narzisst versprüht. Wer die erste von vielleicht drei Debatten gewonnen hat, steht außer Frage: Biden. Weniger sicher scheint, ob die amerikanische Demokratie diesen Anschlag übersteht. Trump machte mehrfach deutlich, dass er eine Niederlage an der Wahlurne als Beleg für eine Manipulation sieht. Statt zu versichern, die Ergebnisse des demokratischen Prozesses anzuerkennen, appellierte er an gewaltbereite Rechtsextreme, wie die "Proud Boys", sich auf den Fall der Fälle bereit zu halten. Die Amerikaner wissen nach dieser Nacht alles, was sie wissen müssen. Am 3. November geht es nicht um bloß Trump oder Biden, sondern die Zukunft der Demokratie selbst.

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