Schluss mit dem Herumgeeiere!/Die Nur-nicht-anecken-Strategie Laschets hat einen Grund. Unbequeme Botschaften werden abgestraft. Ein Schlummer-Wahlkampf genügt trotzdem nicht. Von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
Klimawandel, Finanzlasten der Corona-Pandemie, soziale Schieflagen der Gesellschaft: Lasst uns im Bundestagswahlkampf mehr um den richtigen Weg fürs Land streiten - und weniger darum, wie viel Wahrheit, Unbequemes und Tempo Bürgern zuzumuten ist. Die Kombination aus Mutlosigkeit und Kalkül, die beim Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet zu beobachten ist, hat allerdings leider einen Grund, der nicht wegzudiskutieren ist. Ein Teil der Wähler honoriert es nicht, wenn es zu konkret wird. Sie lassen sich lieber im Schlafwagen-Modus zum nächsten Wahltag schaukeln. Überbringer schlechter Botschaften werden mit Stimmenentzug, in der Konsequenz mit weniger Prozenten am Wahltag und damit kleineren politischen Spielräumen in den nächsten vier Jahren bestraft. Die Grünen, die darauf keine Rücksicht nehmen, kennen das aus leidvoller Erfahrung: Klar kommunzierte Tempolimits für Autobahnen oder höhere Steuern für Gutverdienende schrecken Wechselwähler aus dem konservativen Klientel eher ab.Das Phänomen ist allzu menschlich: Wer verzichtet schon gern aus vermeintliche Besitztümer? Diesem Abwehr-Reflex muss allerdings niemand zwingend nachgeben. Die Lebenserfahrung lehrt ohnehin, dass sich Dinge immer ändern, ob nun gesteuert oder nicht. Die Corona-Krise hat das in Dauerschleife gezeigt. Im besten Fall stählt das dafür, im Gemeinsinn um den besten Weg zu streiten. Im schlechten Fall ist der Kanal für miese Nachrichten bei Bürgern übervoll. In dieser politischen Gemengelage positionieren sich gerade alle Parteien: Wobei sich die Union eine Doppel-Strategie gönnt, mit der sie wohl nur deshalb durchkommt, weil sie das Modell gewohnheitsmäßig praktiziert: Laschet verfolgt konsequent die Strategie des Nur-nicht-aneckens. In der Corona-Politik bedient er etwa ein klein wenig die Sicherheitsbewussten wie auch ein klein wenig die Freiheitsliebenden. Söder mag es schon qua Temperament kantiger. Sein Corona-Kurs lässt keine Deutungsspielräume. Auch bei den klimapolitischen Positionen setzt er auf Risiko - wohl wissend, dass das einem Teil der eigenen Basis zu weit geht. Er zielt dabei auch auf Wechselwähler aus dem Grünen-Klientel, denen die Ökopartei als Original dann doch ein Stück weit zu konsequent ist. Söder sieht gar keinen anderen Weg als Wähler zu mobilisieren. Aktuell 36 Prozent für die CSU in Bayern in Umfragen - damit knapp zwei Prozent weniger als beim CSU-Bundestagswahldebakel 2017 - sind eine starke Triebfeder. Er weiß, dass er der CSU dringend neues, junges Wählerklientel erschließen muss, wenn die Ergebnisse in den nächsten Jahren nicht kontinuierlich weiter abbröckeln sollen.Laschet verfolgt eine Strategie, die allein auf den Wahltag gerichtet ist. Er stützt sich darauf, dass die Union im Bund in Umfragen zugelegt hat. Bleibt es so, hat er ein ziemlich sicheres Ticket für Angela Merkels Platz im Kanzleramt. Gerade deshalb hätten es die Wähler allerdings verdient, zu wissen, was sie von Laschet im einflussreichsten deutschen Amt zu erwarten haben. Seine Vision eines sozialen und klimagerechten Deutschlands verliert sich bisher im Vagen, im Kleinklein und Widersprüchlichen.Kleines Beispiel ist der merkwürdige Unions-Zwist um Steuersenkungen, die im Wahlprogramm stehen, Laschet dann irgendwie ausgeschlossen hat, um sich später erneut zu korrigieren. Sollte er schlicht die Kassenlage im Blick gehabt haben: Für klares Ja oder Nein bleibt noch zehn Wochen Zeit. Auch Söder muss sich erklären: Wie setzt er Klimawünsche und Co. gegenüber einem Laschet durch, der zumindest gegenüber der CSU Hartleibigkeit beweist. Und Bürger stehen vor der Frage: Wollen sie lieber vor oder nach der Wahl Gewissheit haben?
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