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Macron spielt mit hohem Risiko
Der französische Präsident möchte den Ukraine-Konflikt am Verhandlungstisch lösen. Damit will er Europa stärken und im Wahlkampf punkten.

Regensburg (ots)

Im Ukraine-Konflikt regiert die Unsicherheit. Die Akteure finden nicht zusammen. Der Politikwissenschaftler Frank Umbach hat die Lage in einem Interview mit dem Deutschlandfunk kürzlich so zusammengefasst: "Russland spielt Schach, die Amerikaner spielen Poker, wir spielen Mensch-ärgere-Dich-nicht." Der Satz könnte aus einem Tom-Clancy-Buch stammen. Clancys Geschichten spielen im Kalten Krieg. Die Rollen zwischen Gut und Böse sind klar verteilt. Auch jetzt nehmen viele Beobachter eine Perspektive ein: Russland ist der Aggressor. Die Amerikaner die schützende Macht. Daneben gibt es niemanden. Aber ein dritter Spieler mischt sich jetzt ein: Frankreich. Emmanuel Macron opfert eine weitere Woche seines Wahlkampfs für die Ukraine-Krise. Das ist in dreifacher Hinsicht riskant. Das erste Risiko besteht darin, dass der französische Präsident nicht weiß, ob sich die Amerikaner und die Russen von ihrem Spiel abbringen lassen. Wladimir Putin hat sich weg vom Schachbrett begeben und an den Pokertisch gesetzt. Putin hatte Zeit, um zu beobachten, wie die Amerikaner Poker spielen. Jetzt hat er sich entschieden oder dazu verleiten lassen - von außen ist das schwer zu sagen - zu "callen". Putin geht also mit, zahlt den Einsatz und schaut, wohin das führt. Aktuell ist das Ergebnis ein Säbelrasseln der beiden militärischen Großmächte. Das ist gefährlich. Frankreich sieht sich zwar gerne selbst als Großmacht, aber bei so einem Pokerspiel hat Macron keine Chance. Er muss die Russen und die Amerikaner dazu bringen, ein anderes Spiel zu spielen. Das kann Macron nicht allein. Das ist das zweite Risiko: Macron weiß nicht, welche Mitspieler er hat. Die deutsch-französische Achse in Verbindung mit Bundeskanzler Olaf Scholz ist nicht eingespielt und mit dem mickrigen Angebot, 5000 Helme in die Ukraine zu schicken, hat sich Deutschland disqualifiziert. Macron hat zudem kein offizielles Mandat der EU-Mitglieder, in ihrem Namen über "die Sicherheit und strategische Stabilität in Europa" zu verhandeln. Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas spottete gar zuletzt in der Financial Times: "Ich habe das Gefühl, da gibt es den starken Wunsch, der Held zu sein, der diesen Fall löst. Aber ich glaube nicht, dass sich das so lösen lässt. Es scheint mir da eine gewisse Naivität gegenüber Russland zu geben". Macron ist nicht naiv. Er weiß, dass Putin ein skrupelloser Gegner ist. Im Präsidentschaftswahlkampf 2017 hat Macron das zu spüren bekommen und es seither immer wieder erlebt. Aber der französische Präsident will führen. Er handelt mit dem Mut desjenigen, der überzeugt ist, dass Europa sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss. Europa kann und soll, wenn es nach Macron geht, seine strategische Unabhängigkeit in geopolitischen Fragen stärken. Obendrein ist er überzeugt: Solange geredet wird, schweigen die Waffen. In Macrons Gedankenwelt kann der Kleine den Großen schlagen, der Schwache den Starken besiegen. Was zählt, ist Ideenreichtum. Es ist wie beim Tarock. Dieses Kartenspiel entspricht Macrons Vorgehensweise. Damit geht das dritte Risiko einher: Tarock ist ein offenes Spiel. Es wird unter Gleichgesinnten gespielt und unter Beachtung eines Regelwerks. Es gibt einige unumstößliche Prinzipien. Aber ansonsten können die Regeln jederzeit geändert werden - wenn alle einverstanden sind. Mit überraschenden Wendungen ist sowohl beim Tarock als auch in der Politik immer zu rechnen. Der Diplomatie hat Macron im Ukraine Konflikt Zeit verschafft. Gleichzeitig tickt für ihn die Uhr. Spätestens am 4. März muss er seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaft offiziell verkünden. Als Bewahrer des Friedens wäre das glanzvoller. Dazu müsste Macron mit seinem Reizangebot Erfolg haben, ein Gipfeltreffen zu arrangieren. Das ist noch nicht entschieden.

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