Tief gespaltene Ukraine-Fraktion
Wie der zaudernde Kanzler Scholz steht die Friedensbewegung vor einem Dilemma. Die Frage ist, was Kiew jetzt braucht, um Russland zu stoppen.
Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Ob Osnabrück, Berlin, München, Weiden oder Miesbach - auch und gerade während in der Ukraine der Krieg Putins tobt und täglich neue Opfer fordert, gingen Ostermarsch-Demonstranten auf die Straßen. Doch heuer ist vieles anders. Die Friedensbewegung steht vor dem Dilemma, dass ihr Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" bei einem kaltblütigen Aggressor wie Wladimir Putin schlicht nicht funktioniert. Der Kremlchef lässt sich weder von Friedensaktivisten in West-Europa, noch von zögerlich fließenden Waffenlieferungen an Kiew beeindrucken. Putin versteht in seinem imperialen Eroberungswahn nur die Sprache der Stärke - und die heißt in diesem Fall militärischer Stärke.
Wie der in puncto Waffenlieferungen an die Ukraine weiterhin zaudernde Kanzler steht auch die Friedensbewegung an einer Wegscheide. Wer jetzt nur allgemein für Frieden demonstriert, ohne Putins Aggression klar zu verurteilen, läuft Gefahr, von genau diesem Kriegsverbrecher vereinnahmt zu werden. Dass die Teilnehmer der Ostermärsche allerdings keine Pazifisten, sondern die fünfte Kolonne Putins seien, wie FDP-Mann Alexander Graf Lambsdorff meint, geht zu weit. Das ehrliche Eintreten für Frieden in der Ukraine und anderswo darf man den Aktivisten nicht absprechen. Von den Leuten, die mit dem Putin-"Z" am Auto durch deutsche Städte touren, freilich abgesehen. Die gehören wirklich zu Putins nützlichen Idioten, auch wenn sie andererseits die Annehmlichkeiten Deutschlands genießen.
Die Friedensbewegung ist offenbar ähnlich tief gespalten wie die Berliner Ampel-Regierung, wie die sie tragenden Fraktionen, wie vor allem auch die Kanzler-Partei SPD. Es kam in der jüngeren deutschen Geschichte nicht oft vor, dass ein Regierungschef von Mitgliedern der eigenen Koalition frontal angegangen wurde, wie dies Hofreiter, Strack-Zimmermann und andere derzeit tun. Da helfen auch keine Beschwichtigungsversuche von Grünen- und FDP-Spitze: Es ist Feuer unter dem Dach der Ampel-Koalition. In einer extrem wichtigen Frage - schwere Waffen für Kiew ja oder nein - ist die eigentlich pro Ukraine eingestellte Berliner Koalition tief gespalten. Dieser Spalt ist zu einer großen Belastungsprobe für das Regierungsbündnis geworden.
Und Zeit, um diesen politischen und militärischen Konflikt auszudiskutieren, gibt es nicht. Die Ukraine braucht Waffenhilfen sofort. Selbst mit neuen Milliarden an Euro-Hilfen, die Scholz jetzt ins Schaufenster stellt, lässt sich Putins Interventionsarmee nicht stoppen. Nicht in Mariupol, wo sich einige Tausend ukrainische Soldaten gegen eine erdrückende russische Übermacht stemmen, noch in Charkiw oder im Donbass, wo eine neue russische Offensive offenbar nur eine Frage der Zeit ist.
Allerdings ist auch die schlichte Forderung nach Lieferung von "schweren Waffen" wohlfeil und blauäugig-naiv. Es ist zurzeit kaum möglich bis völlig illusorisch, etwa deutsche Kampfpanzer, gepanzerte Truppentransporter, Artillerie- und Raketensysteme und dergleichen in die Kampfgebiete zu bringen. Es kann sich nur um solche Waffen handeln, die Kiew jetzt braucht und die von ukrainischen Soldaten auch sofort eingesetzt werden können.
Jetzt auf deutsche Panzer zu warten, die erst monatelang wieder flott gemacht werden müssten, macht keinen Sinn. Die Lieferung von Waffen aus ehemals sowjetischer Produktion, die in vielen osteuropäischen Ländern noch im Einsatz sind, dagegen schon. Ebenso die Ausrüstung mit modernen waffentragenden Drohnen, die gegen russische Panzer sowie Raketen- und Artillerie-Stellungen vorgehen können, sowie die Lieferung von Munition, Verpflegung, Medikamenten. Es gibt vieles, was in der Ukraine jetzt dringend benötigt wird, um die russische Aggression zu stoppen. Dass Kanzler Scholz immer noch knurrig zaudert, schmälert die Erfolgschancen der heldenhaft kämpfenden Ukrainer.
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