Auch weiter steigende Preise auf dem Immobilien-Investmentmarkt können den Produktmangel nicht ausgleichen - Mangels großer Portfoliotransaktionen ist der Jahresauftakt verhalten
Frankfurt (ots)
Und da sind sie wieder, die negativen Zinsen. Erstmals seit 2016 fielen die Renditen der 10-jährigen Bundesanleihen wieder in den roten Bereich und zerstörten damit die Hoffnungen von Banken, Sparern und Anleiheinvestoren auf eine Rückkehr zur Normalität. Die Europäische Zentralbank (EZB) machte zumindest jüngst immer deutlicher klar, dass eine Zinswende weiter nach hinten verschoben werden wird, sollte sich die Konjunktur weiter eintrüben. "Faktisch hat es die EZB während der Boomjahre - zumindest aus deutscher Sicht - verpasst, die Zinsen frühzeitig anzuheben und sich damit eines wesentlichen Instrumentariums beraubt, um bei nachlassender wirtschaftlicher Dynamik oder gar einer Rezession gegensteuern zu können", so Timo Tschammler, CEO JLL Germany. Tschammler weiter: "Angesichts der reduzierten Wachstumsaussichten in den meisten europäischen Staaten ist eine Zinserhöhung zumindest für 2019 vom Tisch. Mit diesen Entwicklungen haben sich auch für den deutschen Immobilien-Investmentmarkt die Rahmenbedingungen wieder geändert. Wurde noch vor rund neun Monaten über ein Ende der Renditekompression und im Ausblick über tendenziell steigende Renditen diskutiert, ist dieses Szenario nun nicht mehr aktuell."
Für ein "Zwei ist die neue Drei"-Postulat in Bezug auf die Spitzenrenditen erscheine es zwar noch zu früh, mit dem erneuten Absinken der Renditen für Bundesanleihen gäbe es aber neuen Spielraum für einen weiteren Renditerückgang bei Immobilien. "Unterstützt wird diese These durch drei fundamentale Entwicklungen", so Timo Tschammler:
- "Die anhaltend starke Flächennachfrage, die sich bislang relativ unbeeindruckt von der konjunkturellen Schwäche zeigt und Basis für weitere Mietpreissteigerungen ist.
- Die globale Investmentnachfrage nach Immobilien bleibt hoch und könnte im Trend in den nächsten Jahren sogar noch zunehmen. Bis 2021 laufen deutsche Staatsanleihen im Volumen von rund 150 Mrd. Euro aus, die mit Renditen von über 3% verzinst sind. Bei der Wiederanlage des Kapitals werden sich die Investoren die Frage stellen müssen, ob sie bei anhaltenden Minizinsen erneut in Anleihen investieren, oder ob sie in alternative Investments - zu denen auch Immobilien gehören - umschichten.
- Das Angebot an adäquaten Investmentprodukten bleibt kurz- und mittelfristig knapp. Das gilt grundsätzlich für alle Assetklassen, insbesondere aber für Büroimmobilien. In diesem Sektor reduzierte sich die Anzahl der Transaktionen von 2015-2018 um 23% bei gleichzeitig steigendem Transaktionsvolumen. Eine signifikante Ausweitung von fungiblen Verkaufsobjekten ist aktuell nicht abzusehen. Dieses Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage sollte deshalb weiterhin preistreibend wirken."
Mangels großer Portfolios sinkt Transaktionsvolumen* im Jahresvergleich um fast ein Viertel
Es kann nicht immer nur nach oben gehen. Mit dieser Erkenntnis ist der deutsche Investmentmarkt in das Jahr 2019 gestartet. Und auch weiter steigende Preise können den Produktmangel nicht in jedem Quartal ausgleichen. Inklusive der Assetklasse Living* wurden in den Monaten Januar bis März Immobilien im Wert von knapp 15,3 Mrd. Euro verkauft und damit rund 22 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2018. Auf ausschließlich gewerblich genutzte Immobilien entfielen 11,3 Mrd. Euro.
"Hauptverantwortlich für das insgesamt rückläufige Transaktionsvolumen ist das Ausbleiben von großen Portfolioverkäufen im ersten Quartal. In der Summe konnten lediglich rund 4,2 Mrd. Euro registriert werden, 43 Prozent weniger als in Q1 2018", erklärt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Die beiden größten Portfoliotransaktionen des gerade abgelaufenen Quartals waren der Erwerb von über 2.800 Wohneinheiten durch die Deutsche Wohnen von Akelius sowie der Verkauf von 34 Industrieimmobilien im Volumen von 260 Mio. Euro durch einen britischen Fonds-Manager. "Das Investitionsinteresse bleibt aber nach wie vor intakt, zudem befinden sich zahlreiche, teilweise auch größere Immobilien oder Portfolios in Verkaufsprozessen, so dass wir uns damit weiterhin auf ein Gesamtjahresvolumen von rund 70 Mrd. Euro zubewegen", betont Timo Tschammler. Die Anzahl der Transaktionen ist im Vergleich zum Vorjahresquartal zwar auch gesunken, der Rückgang fällt mit 12 Prozent aber deutlich weniger stark aus als in Bezug auf das absolute Volumen. Als Konsequenz ergibt sich eine kleinere durchschnittliche Transaktionsgröße von rund 38 Mio. Euro pro Transaktion.
Dominanz von Berlin verstärkt sich deutlich - Büroimmobilien nach wie stark gefragt
Auffällig im ersten Quartal war das gegenüber dem Gesamtmarkt schwächere Investitionsvolumen in den Big 7. Hier stach eigentlich nur Berlin heraus. In der Hauptstadt legte das gesamte Transaktionsvolumen (inklusive Living) um mehr als ein Drittel auf fast 4 Mrd. Euro zu und vereint damit allein 46 Prozent des Transaktionsvolumens aller Big 7 auf sich. Insbesondere elf Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich hatten für dieses herausragende Ergebnis gesorgt. Ansonsten mussten in allen Hochburgen teilweise deutliche Rückgänge gegenüber dem Vorjahresquartal konstatiert werden. Die reichten von minus 8 Prozent in Stuttgart bis zu minus 76 Prozent in München.
Aggregiert über alle Big 7 ergab sich ein Transaktionsvolumen (inklusive Living) von 8,6 Mrd. Euro, gleichbedeutend einem Minus von 23 Prozent. Auf ausschließlich gewerblich genutzte Immobilien entfielen in den sieben Immobilienhochburgen 6,0 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Rückgang von 29 Prozent.
Außerhalb der Big 7 wurden 44 Prozent des gesamtdeutschen Volumens von 15,3 Mrd. Euro investiert, hier ergab sich im 12-Monatsvergleich ebenfalls ein deutliches Minus von 20 Prozent. "Trotz dieser Rückgänge im Transaktionsvolumen bleiben wir dabei: die Einbußen in den großen Metropolen sind in keiner Weise einer rückläufigen Nachfrage geschuldet. Wir gehen davon aus, dass die Aktivitäten im weiteren Jahresverlauf insgesamt wieder dynamisiert werden", so Tschammler.
In Bezug auf die Assetklassen hat sich hinsichtlich der relativen Anteile kaum eine Veränderung gegenüber 2018 ergeben. Der Fokus der Investoren liegt weiterhin eindeutig auf Büroimmobilien, die auf einen Anteil von 38 Prozent kommen. "Dass Investoren daneben aber immer öfter auch alternative Produkte in ihr Portfolio einmischen, zeigt die Entwicklung der Assetklasse Living", so Tschammler. Deren Anteil ist im ersten Quartal mit 29 Prozent höher als im Gesamtjahr 2018 (27 %). Neben traditionellen Wohn-Portfolios sind es nach wie vor Studentenwohnungen oder Pflege- und Seniorenheime, die Investoren verstärkt auf ihrem Schirm haben.
Trotz der weiterhin zahlreichen negativen Schlagzeilen rund um Einzelhandelsimmobilien hat sich deren Anteil bei 13 Prozent stabilisiert. Und: im aktuellen Quartal fanden sich auch für Shoppingcenter wieder einige Käufer; acht Transaktionen konnten hier registriert werden, immerhin nur drei weniger als in den letzten beiden Quartalen 2018 zusammen. "Der Re-Positionierungsprozess dieser Nutzungsart ist im vollem Gange und Bestandshalter und Betreiber prüfen, wie sich digitale Erlebnis- und Einkaufswelten in ihre Center integrieren lassen. Angesichts rückläufiger Frequenzen und steigender E-Commerce-Umsatzanteile bedarf es allerdings teilweise langwieriger und vor allem kostenintensiver Umstrukturierungen. Ganz anders ist das Bild bei Fachmarktprodukten. Deren Anteil am gesamten Einzelhandelsvolumen beträgt fast 44 Prozent und bestätigt das nach wie vor große Interesse an Fachmärkten, Fachmarktzentren und Supermärkten. Investoren sehen hier vor allem bei Immobilien mit Lebensmittelhändlern ein nach wie vor interessantes und gegenüber dem Online-Handel weitgehend resistentes Anlageprodukt", so Helge Scheunemann.
Im Verhältnis von deutschen und ausländischen Investoren hat sich im aktuellen Quartal eine Verschiebung hin zu einheimischen Käufern ergeben. In den ersten drei Monaten entfiel nur insgesamt ein Drittel auf ausländische Käufer, entsprechend 67 Prozent auf deutsche Investoren.
An großvolumigen Immobilieninvestments sind vor allem ausländische Investoren interessiert. "Da hier die Verkaufsprozesse und Due Diligence-Prüfungen aber grundsätzlich deutlich länger dauern, kann das erste Quartal nur als Momentaufnahme dienen. Im weiteren Jahresverlauf sollte der Anteil ausländischer Investoren wieder zunehmen. Indiz hierfür ist auch, dass Investoren aus den beiden traditionell größten Herkunftsländern, Großbritannien und USA, im Saldo aus Käufen und Verkäufen ihre Immobilienbestände im ersten Quartal in Deutschland erweitert haben", so Timo Tschammler.
Potenzial bei Renditekompression noch nicht ausgeschöpft?
Wann immer die Immobilienakteure denken, der Boden für die Rendite sei gefunden, lehrt der Markt etwas anderes. Und in der Tat haben sich die Rahmendaten mit der nun klaren Absage der EZB an eine Zinserhöhung in diesem Jahr wieder fundamental geändert. Als Folge einer schwächelnden Wirtschaft und der Flucht der Investoren in sichere Häfen wie z.B. deutsche Staatsanleihen sanken deren Renditen auf Niveaus, die überwunden schienen. "Dieses anhaltend niedrige Leitzinsniveau lässt Investoren, die auf berechenbare und stabile Renditen setzen wollen oder müssen, gegenüber der Anlage "in Beton" so gut wie keine Alternativen", so Tschammler. Und diese Alternativlosigkeit zeigt sich vor allem bei der Renditeentwicklung innerhalb der Assetklasse Büro. Mit einer über alle sieben Hochburgen hinweg gemittelten Büro-Spitzenrendite von 3,06 % zeigt sich im Vergleich zum Vorquartal noch einmal ein leichter Rückgang von 5 Basispunkten, im 12-Monatsvergleich sind es damit 20 Basispunkte weniger. "Eine genaue Prognose für den Rest des Jahres fällt angesichts der bereits erreichten Niveaus schwerer denn je. Aus derzeitiger Sicht sehen wir aber Spielraum für weitere 10 Basispunkte in jeder der Big 7, so dass die über alle Städte gemittelte Spitzenrendite Ende 2019 dann bei 2,96% liegen würde", erklärt Scheunemann. Eine ähnliche Entwicklung gilt auch für Top-Objekte in Teilmärkten abseits der Spitzenlagen. Diese profitieren vom Angebotsmangel in den Top-Lagen und den Ausgleichbewegungen der Investoren. Hier hat sich die Kompression ebenfalls fortgesetzt und erreicht mit einer aggregierten Rendite von 3,41 % den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Der Abstand zur Spitzenrendite beträgt gerade noch 35 Basispunkte.
"Mit der Fortsetzung der Renditekompression im ersten Quartal hat sich in Kombination mit der weiterhin positiven Mietentwicklung von 12,9% im 12-Monatsvergleich eine erneut signifikante Wertsteigerung der Büro-Spitzenwerte ergeben", betont Timo Tschammler.
Nach zwei Quartalen mit einer Verschnaufpause haben im ersten Quartal auch die Spitzenrenditen für Logistikimmobilien in bester Lage mit Zehnjahresmietverträgen wieder reagiert. Aggregiert über die Logistikregionen der Big 7 haben sie und um weitere 10 Basispunkte auf nun 4,00% nachgegeben. Tendenz bis Ende des Jahres: weiterer Rückgang auf 3,75%. "Im Logistik-Segment beobachten wir vermehrt Einzeltransaktionen im oberen zweistelligen Mio.-Euro-Bereich mit deutlich länger laufenden Mietvertragslaufzeiten bis zu 20 Jahren, die bereits jetzt für Renditen von deutlich unter 4% gehandelt werden", so Tschammler
Bei Einzelhandelsimmobilien folgen die Renditen der aktuellen Nachfragepräferenz für Fachmarktprodukte. Sowohl für Fachmarktzentren als auch für einzelne Fachmärkte gaben die Renditen um jeweils 10 Basispunkte auf 4,40% bzw. 5,10% gegenüber dem Vorquartal nach. Unverändert geblieben sind die Spitzenrenditen für Shoppingcenter mit 4,10% und für innerstädtische Geschäftshäuser mit 2,87%. Bei beiden Nutzungsarten werden auch bis Ende des Jahres keine Veränderungen erwartet.
* umfasst Büro-, Einzelhandels-, Logistik - und Industrieimmobilien, Hotels, Grundstücke, Spezialimmobilien sowie Living mit Mehrfamilienhäusern und Wohnportfolios ab 10 Wohneinheiten und 75 % Wohnnutzung, Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit (ohne Börsengänge), Appartementhäuser, Studentenwohnen, Senioren-/Pflegeimmobilien und Kliniken
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