Ist das Schlimmste überwunden? - Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex profitiert von verbesserten Erwartungen
Frankfurt (ots)
Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (DIFI) von JLL und dem ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, der vierteljährliche Stimmungsindikator für gewerbliche Immobilienfinanzierungen in Deutschland, klettert wieder nach oben, bleibt aber nach wie vor mit minus 36 Punkten im negativen Bereich. Nach einem leichten Rückgang (um - 3,7 Punkte) auf minus 18,9 Punkte Anfang des Jahres, einem Absturz um 37,8 Punkte auf einen Indexstand von minus 56,7 Punkten im zweiten Quartal zeigt sich der DIFI im dritten Quartal immerhin um mehr als 20 Punkte gegenüber dem Vorquartal verbessert. Aktuell verharrt er aber ein weiteres Mal unter den seit Beginn der Umfrage 2011 registrierten Indexwerten.
In der aktuellen Befragung* resultieren die Antworten der befragten Expert*innen (Investoren, Kreditinstitute und Beratungshäuser) sowohl für die Finanzierungssituation (Lageeinschätzung der vergangenen sechs Monate) als auch in punkto der Finanzierungserwartung für das kommende Halbjahr in einer angenommenen Verbesserung fast aller Teilsalden für die einzelnen Nutzungsarten. Im Quartal zuvor schlugen noch deutliche Verschlechterungen für alle zu Buche.
"Ausschlaggebend für die sich gegenüber der letzten Befragung im Mai manifestierenden Aufwärtsbewegung sind die Finanzierungserwartungen auf Halbjahressicht. Dieser Teilsaldo hat sich um 32,2 Punkte verbessert und bewegt sich in einem ähnlichen Wertbereich (-20,4 Punkte) wie noch vor der Krise", so Anke Herz, Team Leader Debt Advisory JLL Germany. Wenig überraschend bleibe demgegenüber die Bewertung der vergangenen sechs Monate stark durch die Auswirkungen der Pandemie getrübt. Hier liegt der aktuelle Teilsaldo (-51,6 Punkten) nur leicht über dem Vorquartalswert (-60,8 Punkte).
"Auch wenn die Wirtschaft, gepusht durch die Finanzhilfen, langsam wieder anläuft, sind auch an der Immobilienwirtschaft und ihren Marktteilnehmern die Auswirkungen der Pandemie nicht spurlos vorüber gegangen und belasten die Aktivitäten. Das Finanzierungsumfeld wird mindestens bis 2021 spürbar schwierig bleiben. Dennoch sehen wir derzeit keine Anzeichen für notleidende Kredite oder das Aufflammen von Notverkäufen", so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Für die Beurteilung der Werthaltigkeit der Immobilie auch als Kreditsicherheit sei die Entwicklung an den Investment- und Vermietungsmärkten daher ausschlaggebend. Und Dr. Carolin Schmidt, Department International Finance and Financial Management am ZEW, ergänzt: "Aufgrund der inzwischen optimistischeren Einschätzungen auf Halbjahressicht besteht Hoffnung, dass sich die Lage zumindest stabilisiert."
Gewohnt wird immer und bestellt immer mehr online
Die Einschätzungen der Expert*innen vermitteln den Eindruck, dass sich der erste Schock gelegt hat, das Schlimmste überwunden sein könnte - allerdings für die verschiedenen Assetklassen mehr oder weniger deutlich. Für den Hotelbereich (-97,4 Punkte) bleibt es sogar für die Lageeinschätzung bei einer weiteren Verschlechterung um minus 13,4 Punkte. Damit bestätigen die Befragten die äußerst angespannte Situation der Hotelimmobilie, die neben dem Einzelhandel eindeutiger Verlierer der Pandemie ist. Auch in ihrer Einschätzung für die kommenden sechs Monate bleibt es bei einem hohen negativen Wert (- 44,4 Punkte) für die Hotelimmobilie, auch wenn er sich bereits gegenüber dem Vorquartal um 35,6 Punkte erholt hat. Übertroffen wird diese Einschätzung allerdings noch von der Erwartung für den Einzelhandel: minus 52,6 Punkte bedeuten aber auch hier eine Verbesserung um plus 32 Punkte.
Am besten weg kommen die Assetklassen Wohnen und Logistik, bei denen die verbesserte Lageeinschätzung der vergangenen sechs Monate (Anstieg gegenüber dem Vorquartal um +36,0 Punkte bzw. +17,3 Punkte) am ausgeprägtesten ist. Während Wohnen damit seinen Rückgang vom Vorquartal ausgeglichen hat, bewegt sich Logistik noch im negativen Bereich (- 13,5 Punkte; Vorquartal - 30,8 Punkte). Für die nahe Zukunft erwarten die Befragten in beiden Bereichen einen weiteren Aufwärtstrend. "Gewohnt wird immer und bestellt immer mehr online. Davon profitieren beide Assetklassen", so Anke Herz.
Büroimmobilien hatten im Vorquartal besonders schlecht bei den Finanzierungserwartungen abgeschnitten. In der aktuellen Umfrage wird diese Einschätzung nun revidiert, erläutert Scheunemann: "Auf Halbjahressicht wird sich diese Assetklasse deutlich erholen (+ 46,5 Punkte), der Saldo liegt aber auch hier noch immer im negativen Bereich. Es gehen allerdings mehr Befragte von einer weiteren Verschlechterung als von einer Verbesserung aus. Vor dem Hintergrund der aktuellen und intensiv geführten Diskussionen rund um die Zukunft von Büros, deren Ausstattung, Bedeutung, Funktion und Standort im Kontext zu Remote Working, mag diese Einschätzung der Befragten nicht überraschen."
Bei den Refinanzierungsmärkten sind sich die befragten Expert*innen weitestgehend einig: Die Salden aller Instrumente steigen in der Summe. Bei der Lageeinschätzung zu den vergangenen sechs Monaten gaben die Befragten überwiegend an, dass sich die Situation für unbesicherte Schuldverschreibungen, Mortgage Backed Securities und Immobilienaktien verschlechtert hat. Bei Einlagen und Pfandbriefen sehen drei Viertel der Befragten keine Veränderungen, der Rest eher Verschlechterungen. Wie bei den Finanzierungsmärkten erwarten die Befragten für die kommenden sechs Monate im Schnitt eher positive Entwicklungen. Besonders fallen hier die Teilsalden der Mortgage Backed Securities (+24,6 Punkte Zuwachs) und die unbesicherten Schuldverschreibungen (+20,8 Punkte Zuwachs) auf. Die Pfandbriefe verlieren seit dem Vorquartal minus 13,0 Punkte, haben aber als einziges Refinanzierungsinstrument auf Halbjahressicht einen positiven Teilsaldo.
Verminderte Mobilität schlägt sich im Neugeschäft aller Assetklassen nieder
In der Sonderfrage der aktuellen DIFI Ausgabe wurden die Expert*innen nach ihren Einschätzungen für mögliche Auswirkungen auf das Neugeschäft befragt. Drei Zeithorizonte spielten dabei eine Rolle: bis heute, bis Ende 2020 und bis Ende 2021.
Keine Sorgen machen sich die Befragten um die Assetklasse Wohnen. Über alle drei Zeiträume hinweg sehen nur 3 Prozent negative Auswirkungen. Für den nicht lebensmittelgeankerten Einzel-handel und für Hotels, gleichgültig ob business- oder tourismuslastig, bescheinigen jeweils über 90 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen hingegen durchgehend negative Konsequenzen. "Wann touristisches Reisen und Geschäftsreisen wieder Vor-Corona-Niveau erreichen, kann momentan niemand sagen", so Anke Herz. Herz weiter: "Auch in den Antworten der Expert*innen hinsichtlich des Bürosegments spiegelt sich die Möglichkeit vieler Beschäftigten wider, in Zukunft weiter vermehrt von zuhause arbeiten zu können. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten geht von Einbußen im Neugeschäft aus. Die Unsicherheit, wie sich der zukünftige Büroflächenbedarf und das damit verbundene Mietniveau entwickeln wird, ist derzeit sicherlich ein großes Thema." Allerdings: Je weiter in die Zukunft geblickt wird, desto eher werden positivere
Entwicklungen für einige der Assetklassen vermerkt. Insbesondere für den Bürosektor gehen die Negativstimmen auf knapp die Hälfte zurück. Für den Logistiksektor werden Zuwächse erwartet. Unterm Strich weiterhin als sehr problematisch/schlecht bewertet wird trotz leicht verbesserter Einschätzungen das erwartete Neugeschäft mit nicht lebensmittelgeankertem Einzelhandel. Durch lokale Lockdowns und andere Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sind noch mehr Konsumenten auf den Onlinehandel umgestiegen. Keine weiteren Einbußen bis Jahresende 2020 und 2021 werden im Neugeschäft für Business- und Tourismus fokussierte Hotels erwartet. Die Aussichten sind aber überwiegend negativ. Anke Herz bringt es folgendermaßen auf den Punkt: "Die verminderte Mobilität schlägt sich im Neugeschäft aller Assetklassen nieder."
"Der Blick hinter diese nach wie vor wenig berauschenden Zahlen macht deutlich, dass die Finanzierer mit einer Erstanalyse ihrer Bestände durch sind und damit wieder Kapazitäten für das Neugeschäft frei werden. Darüber hinaus können die Banken mittlerweile besser einschätzen, welche Eigenkapitalanforderungen für risikobehaftetere Transaktionen auf sie zukommen. Wie es weiter geht, hängt natürlich von der wirtschaftlichen Entwicklung ab", so Anke Herz.
*Anmerkung: An der Umfrage des Deutschen Immobilienfinanzierungsindex vom 27.07.2020 - 17.08.2020 beteiligten sich 42 Expert*innen. Abgefragt wurden die Einschätzungen zur Marktsituation (vergangene sechs Monate) und zur Markterwartung (kommende sechs Monate). Dargestellt sind die prozentualen Anteile der Antwortkategorien sowie die Veränderungen in Prozentpunkten gegenüber dem Vorquartal. Die Salden ergeben sich aus der Differenz der positiven und negativen Antwortkategorien (wie z.B. "verbessert" und "verschlechtert"). Der DIFI berechnet sich als ungewichtetes Mittel aus den Salden der Finanzierungssituation sowie der Finanzierungserwartung aller Nutzungsarten.
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