Die Arbeitswelt wird hybrider und benötigt mehr Flexibilität
Branchenexperten diskutieren bei "JLL Connections" Zukunft der Immobilie
Frankfurt (ots)
Die Zukunft von Immobilien dreht sich künftig deutlich mehr um die Qualität von Räumen und nicht mehr allein um die Flächengröße. Das gilt über alle Assetklassen hinweg, wie beim exklusiven Debattenforum "JLL Connections" deutlich wurde, zu dem das Beratungsunternehmen rund 80 Entscheider der Immobilienbranche eingeladen hatte.
"Die Arbeitswelt wird hybrider und die Kombination aus Home Office und klassischem Büro als Fixpunkt wirkt sich auf alle Assetklassen aus", sagte Sabine Eckhardt, CEO JLL Central Europe, zur Eröffnung der Tagung unter dem Leitmotiv "The Future of Real Estate". "Es geht um die strategische Ausrichtung des Büros als Ort der Zugehörigkeit und des Austauschs - schließlich ist der Mensch ein soziales Wesen. Das wiederum stellt neue Anforderungen an die Wohnung als Home Office, das künftig hauptsächlich für Routinearbeiten bereitstehen muss."
JLL hatte in Berlin, Frankfurt und München wichtige Entscheider der Immobilienwirtschaft in exklusiver Runde eingeladen, um die Zukunft der Immobilie mit Fokus auf Büro, Wohnen, Handel und Hotel zu diskutieren. Um alle Schutzregeln gegen die Pandemie einzuhalten, war die Teilnehmerzahl streng auf den Vorgaben der jeweiligen Stadt reduziert - verbunden waren alle Standorte durch eine digitale Liveschaltung.
Nach Erkenntnissen von James Brown wird das Büro durch die Home-Office-Erfahrung stärker als sozialer Ort wahrgenommen: "Laut unserer Umfrage vermissen 44 Prozent der Befragten den Austausch und das Miteinander. Der persönliche Austausch macht das Büro besonders und kann nicht durch digitale Kommunikation ersetzt werden", berichtete der JLL-EMEA-Chefresearcher in seinem einleitenden Impulsvortrag. Rund 29 Prozent der Befragten schätzen demnach, dass das Büro es ihnen ermöglicht, Arbeit und Privates besser voneinander zu trennen.
Einige Trends haben laut Brown im Pandemie-Jahr 2020 einen Schub erlebt, werden sich perspektivisch aber wieder abschwächen. Das gelte neben dem Home Office im Bürosektor auch für den Onlinehandel. "Dessen Anteil am Gesamtumsatz des Einzelhandels ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr von rund 15 auf aktuell 19,9 Prozent sprunghaft angewachsen, wird im kommenden Jahr aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder leicht zurückgehen", gab Brown eine Ausblick. Für die Logistikbranche bedeute dieser Sprung nachhaltiges Wachstum: Die in Europa zusätzlich benötigte Logistikfläche pro Jahr wird von rund 39 Mio. m² in diesem auf rund 50 Mio. m² im Jahr 2024 anwachsen. Mittelfristig werde dieses Wachstum auch auf die anderen Assetklassen übergreifen.
Diese Punkte griff auch die Diskussionsrunde im Berliner "Cube" mit dem Fokus auf der Arbeitswelt der Zukunft auf: "Die Art der Zusammenarbeit wird sich hin zu weniger Hierarchie und mehr Teamarbeit entwickeln. Dafür braucht ein Unternehmen geeignete Arbeitsplätze, die mehr Raum für Innovation und Inspiration bieten", erwartet Gero Bergmann, Vorstand der Berlin Hyp. Denn Kreativität sei nur in der Gruppe und nicht aus dem Home Office möglich. Christoph Reschke, Geschäftsführer von Hines, betonte deshalb, dass es nicht mehr allein auf die Lage eines Bürostandorts, sondern dessen Zukunftsfähigkeit ankomme. "Arbeitgeber müssen räumlich ein interessantes Angebot machen, damit die Menschen ins Büro kommen wollen", sagte Reschke. Emotionaler formulierte es Raphael Gielgen, Trendscout Future of Work bei Vitra, der davon sprach, dass man zur Arbeit im Büro "verführt" werden müsse. Gielgen zog Vergleiche zur digitalen Welt: "Die zukünftige Qualität der Arbeit in den Büros muss es mit der virtuellen Welt aufnehmen können."
In der JLL-Deutschlandzentrale in Frankfurt stand im Anschluss die Frage "Wie kann Wohnraum nachhaltig gestaltet werden?" im Mittelpunkt. Lars von Lackum, CEO der LEG Immobilien AG, sieht die Veränderung zur hybriden Arbeitswelt auch als Herausforderung an die Bauherren: "Wenn das Heim auch Arbeitsplatz werden muss, müssen die Grundrisse veränderbar sein und ein Raum genauso gut als Büro wie als Esszimmer funktionieren." Dr. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment JLL Germany, erwartet deshalb eine Rückkehr zu den klassischen Grundrissen der 1950er-Jahre, in denen mehr, aber dafür kleinere Zimmer eine höhere Flexibilität bieten. Einig waren sich die drei Diskussionsteilnehmer, dass die neuen Anforderungen nach Balkon und mehr Nachhaltigkeit letztlich auch bezahlbar sein müssten. Andreas Gräf, Vorstand der Instone Real Estate Group, verwies deshalb auf ein großes Potenzial, dass bislang kaum genutzt werde: "Beim geförderten Wohnen spricht man fast ausschließlich über Neubauten. Dabei bietet auch der Bestand viel Potenzial für Verlängerungen über die ursprüngliche Laufzeit hinaus, was aber kaum genutzt wird." Ebenso neues Potenzial für Wohnen sieht Gräf bei der Umnutzung der Innenstädte.
Damit ebnete Gräf den Weg für die Diskussionsrunde im Münchener Hotel "Andaz", wo sich alles um die Perspektiven von Handel und Hotellerie drehte. Martina Maly-Gartner, COO Arabella Hospitality, warnte davor, in einer Wartehaltung zu verharren und forderte innovatives Handeln. "Auch Pop-Up Wohnen oder Pop-Up Büro müssen möglich und schnell umsetzbar sein, ohne dass dies von den Behörden erschwert wird", stellte sie Umnutzungspotenziale für Hotels in den Vordergrund. Genauso könnten Hotelkapazitäten auch für Schulungszwecke, Co-Working und den medizinischen Bereich genutzt werden, solange das Reisen eingeschränkt sei.
Iris Schöberl, Managing Director BMO Real Estate Partners, sah Innovation als einzigen Ausweg, denn durch Corona werde es im Handel zu großen Verwerfungen kommen. "Viele gehen bereits neue Wege, darunter auch kleine Händler in ländlichen Regionen, die ihre Flexibilität ausspielen - aber längst nicht alle", so Schöberl. Ähnlich bewertete auch Dr. Marcus Meyer, CEO Central und Northern Europe bei Lacoste, die Digitalisierung der Branche differenziert: "Omni-Channel bedeutet im Handel nicht, dass man überall Bildschirme hinstellt, sondern dass man sich richtig vernetzt und die Kanäle bedient, die auch die Kunden nutzen. Dabei geht es um die richtige Mischung von Online und Ladenlokalen", so Meyer. Diese Flexibilität und Innovation forderte Iris Schöberl auch von der Politik und bekräftigte deshalb ihre Forderung nach vier verkaufsoffenen Sonntagen noch bis zum Ende dieses Jahres - klar adressiert an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
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