Büromarkt Ende 2020 zwischen harter Lockdown-Realität und Hoffnungsschimmern - Büro-Vermietungsumsatz in deutschen Big 7 mehr als ein Drittel unter Vorjahresniveau
Frankfurt (ots)
Die Corona-Pandemie war und ist ein unvorhergesehenes und nicht prognostizierbares Ereignis, ein schwarzer Schwan also. Wie lange aber bleibt er, der schwarze Schwan? Besser noch: wie lange bleibt der Schwan schwarz?
Verlässlich ist diese Frage nicht zu beantworten. Deswegen verharren alle Bereiche der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik und natürlich auch die Immobilienmärkte in einem Zustand der Ungewissheit. Der seit Dezember geltende Lockdown wurde zunächst einmal bis Ende Januar verlängert. Unsicher bleibt trotz der (nur schleppend) angelaufenen Impfungen die Infektionslage und selbst die Wirtschaftsforscher begrüßen harte, aber zeitlich begrenzte Maßnahmen. Einig scheinen sich die Ökonomen darin, dass Deutschland erneut in eine technische Rezession fallen wird. Sowohl im letzten Quartal 2020 als auch im Auftaktquartal 2021 dürfte das Wirtschaftswachstum ins Negative gesunken sein.
Damit scheint sich zu bestätigen, dass der wirtschaftliche Erholungspfad beschwerlicher sein wird als zunächst erwartet. Die Prognosen für das BIP-Wachstum 2021 hatten sich im Jahresverlauf 2020 von über 5 Prozent auf aktuell nur noch 3,8 Prozent reduziert. "Die unterstützenden Maßnahmen der Politik helfen über die größten Verwerfungen hinweg, aber wir erleben derzeit eben doch eine manifeste Konjunkturkrise, die alle Branchen und Segmente erfasst hat", so Dr. Konstantin Kortmann, Head of Leasing & Agency JLL Germany. Die verschiedenen Klimaindizes sprechen je nach Nachrichtenlage eine deutliche Sprache: Die Nachrichten zum Impfstoff hatten den Aktienkursen im November einen Sprung versetzt, genau der gegenteilige Effekt war mit dem zweiten Lockdown eingetreten: Sinkende Kauflaune und schlechte Konsumstimmung. Der von der GfK für Dezember ermittelte Konsumklimaindex fiel auf minus 6,7 Punkte, nachdem er im November noch minus 3,2 Zähler betragen hatte. Und wiederum ein eigentlich nationales Ereignis wie der Ausgang der Senatswahl im US-Bundesstaat Georgia treibt die Aktienkurse.
"Als Stütze erweisen sich aktuell auf jeden Fall die Industrieunternehmen. Dies belegt unter anderem ein Blick auf die Kurzarbeit. In der Industrie ist die Kurzarbeit über alle Branchen zum Ende des Jahres gesunken, gestiegen ist sie jedoch in den beiden Branchen, die vom zweiten Lockdown besonders betroffen sind: im Einzelhandel und im Gastgewerbe. So erhöhte sich die Zahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit im Einzelhandel im Dezember auf immerhin über 6 Prozent der hier sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und im Gastgewerbe auf 39 Prozent - mit erheblichen Auswirkungen auf die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit, aber auch auf die Immobilienbranche", kommentiert Konstantin Kortmann.
Insgesamt hat die Corona-Krise 2020 den mehr als ein Jahrzehnt währenden Aufwärtstrend am deutschen Arbeitsmarkt abrupt beendet. Im Jahresdurchschnitt 2020 waren rund 44,8 Millionen Personen in Deutschland erwerbstätig. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl damit um 477.000 oder 1,1 Prozent niedriger als 2019. Den stärksten Rückgang der Erwerbstätigen gab es im vergangenen Jahr bei den Dienstleistern mit 281.000. Insgesamt waren noch rund 33,5 Millionen Personen in den Dienstleistungsbereichen tätig. Die größten Beschäftigungsverluste hatten der Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe und die Unternehmensdienstleister. Beschäftigungsgewinne gab es hingegen im Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit.
Deutlicher Rückgang der Nachfrage nach Büroflächen, besonders Großanmietungen fehlen
"Die konjunkturellen Rahmenbedingungen stellten sich vor diesem gesamtwirtschaftlichen Hintergrund alles andere als positiv dar. So ist es wenig verwunderlich, dass sich auch auf den deutschen Büromärkten eine deutliche Nachfrageschwäche ausgebreitet hat. Der Rückgang des Büroflächenumsatzes in den Big 7 beläuft sich auf über 33 Prozent und schließt mit einem Gesamtvolumen von 2,67 Mio. m². In der aktuellen Rezession überwiegt der Rotstift: Umzugspläne werden zunächst aufgeschoben oder es wird eine Vertragsverlängerung in den bestehenden Flächen angestrebt. In der Konsequenz fehlen vor allem die großflächigen Vermietungen ab 10.000 m². Hier zeigen sich die Zurückhaltung und Nachfrageschwäche besonders deutlich. 32 Abschlüsse mit insgesamt 656.000 m² in der Aggregation über alle Big 7 konnten 2020 in dieser Größenordnung verzeichnet werden, entsprechend einem Minus von 43 Prozent gegenüber 2019 in Bezug auf die Anzahl der Deals", erläutert Kortmann.
Umsatzrückgänge sind bei allen sieben Immobilienhochburgen zu beobachten: mit minus 25 Prozent in München bis zu minus 55 Prozent in Stuttgart. Und auch im erfolgsverwöhnten Berlin sank der Umsatz um 25 Prozent. Trotzdem reichten die 745.000 m², um sich deutlich an die Spitze der Big 7 zu setzen. "Das vielleicht sichtbarste Zeichen der Krise mag das Quartalsergebnis in München sein. Nicht einmal 100.000 m² wurden vermietet, zumindest bis 1998 zurück gab es keinen niedrigeren Umsatz in der bayerischen Landeshauptstadt", so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.
Konstantin Kortmann ergänzt: "Wir sind ohne Zweifel an einem Zykluswendepunkt angekommen. Wie stark dieser ausfallen wird, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Aufgrund des zeitverzögerten Eintretens der konjunkturellen Effekte in Verbindung mit der zögerlichen Bereitschaft der Unternehmen, wieder mehr Personal einzustellen, rechnen wir ab Mitte 2021 mit einem Anziehen der Vermietungen. Positiv unterstützend sollten dabei die auslaufenden Mietverträge aus den Abschlüssen der letzten Jahre im Volumen von rund 3,2 Mio. m² wirken. Auch große Gesuche, einige bereits für das erste Quartal avisiert, könnten in Summe für ein Umsatzvolumen in 2021 auf rund 2,9 Mio. m² sorgen, das wäre immerhin wieder ein Plus von 11 Prozent. "Doch wie in der gesamten Wirtschaft steht und fällt der Markt mit den weiteren Entwicklungen der Pandemie, dem Impffortschritt und den politischen Entscheidungen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um den Zusammenhang auf den Punkt zu bringen: je länger der Lockdown, desto weniger Vermietungen", so Scheunemann.
Leerstände steigen teilweise kräftig
Wie bereits im Jahresverlauf prognostiziert, haben sich die Leerstände in den meisten Städten erhöht. Die Büro-Leerstandsquote hat zum Jahresende im Schnitt 3,7 Prozent (2019: 3,0 %) erreicht und bewegt sich damit aber immer noch deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt. Im Gegensatz zum Umsatz zeigen sich die Märkte in Bezug auf die Leerstandsentwicklung noch uneinheitlich. Während in der Aggregation aller Big 7 das Volumen freier Flächen im Jahresvergleich um 23 Prozent angestiegen ist, verzeichnete Stuttgart noch einen weiteren Rückgang und auch in Hamburg blieb der Leerstand stabil. Überdurchschnittlich mit Raten von jeweils über 50 Prozent zog der Leerstand dagegen in Berlin und München an, dennoch bleiben die Leerstandsquoten auch hier mit 2,8 und 3,5 Prozent weiterhin niedrig.
"In der Tendenz werden die Leerstände bis Ende 2021 weiter zunehmen auf durchschnittlich 4,5 Prozent. Der Büromarkt ist aber weit von einer Angebotsschwemme entfernt, Leerstandsquoten im zweistelligen Bereich wie etwa 2010 wird es mittelfristig nicht geben", erläutert Helge Scheunemann und mit einem Blick auf dieUntermietflächen fügt er an: "Solche Flächen sind in einer Krise immer ein Thema, so auch dieses Mal, lassen sich doch Einsparungen bei erfolgreicher Vermietung generieren." Aktuell werden in den Big 7 knapp 12 Prozent (ca. 420.000 m²) des gesamten Leerstandes zur Untermiete angeboten. Im Vergleich dazu waren es in Krisenjahren wie 2009 nur 370.000 m², 2002 aber fast 1,1 Mio. m².
"Interessanterweise werden fast ein Drittel der Untermietflächen in den Top-Lagen der Big 7 angeboten. Möglicherweise sind die Vermietungschancen solcher Untermietflächen hier größer, auch höhere Mieten erzielbar und schlagen damit unter dem Strich auch größere Mieteinsparungen zu Buche. Für 2021 gehen wir von einer weiteren leichten Zunahme auf dann rund 560.000 m² aus, entsprechend einem Anteil von rund 13 Prozent"; so Helge Scheunemann.
Fertigstellungen steigen, aber nicht so stark wie erwartet - Entwickler verschieben ihre Neubaupläne und investieren verstärkt in Bestandssanierungen
2020 haben die Bürofertigstellungen deutlich zugelegt, aber insgesamt nicht so stark wie erwartet. Bis Ende des Jahres wurden knapp 1,5 Mio. m² fertiggestellt, entsprechend einem Zuwachs von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders schnell drehten sich die Baukräne 2020 in Berlin, wo knapp 490.000 m² neu auf den Markt kamen und sich das Volumen damit im Vergleich zu 2019 mehr als verdoppelte. Nach wie vor profitieren die neu auf den Markt gekommenen Flächen in allen Städten von den starken Vermietungsjahren. Das lässt sich an den Vorvermietungsquoten ablesen, denn zum Zeitpunkt der Fertigstellung waren in der Aggregation aller Big 7 nur noch 232.000 m² unvermietet bzw. 84 Prozent zum Zeitpunkt der Fertigstellung belegt.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Projektentwickler aber auf die Marktlage reagiert bzw. reagieren müssen: zahlreiche Pläne sind zeitlich nach hinten verschoben worden. Mitte 2020 waren für das Gesamtjahr noch immerhin rund 400.000 m² mehr erwartet worden.
Für 2021 und 2022 sind in den Big 7 insgesamt 4,5 Mio. m² im Bau oder in der Planung. Und: es gibt auch nach wie vor Vorvermietungen. So ist für 2021 mehr als die Hälfte der im Bau und Planung befindlichen Flächen bereits belegt. "Der Flächenengpass, der über viele Jahre gerade in den begehrten Lagen bestand, wird also auch durch die Zykluswende nicht komplett ausgeräumt werden", prognostiziert Helge Scheunemann. Scheunemann weiter: "Neubau wird allerdings zunehmend als nicht-nachhaltig angesehen und angesichts des bereits großen Bestands an Immobilien richtet sich der Fokus der Entwickler verstärkt auf bereits bestehende Gebäude und deren nachhaltige Sanierung. So wird sich die Quote der Totalsanierungen an den Fertigstellungen in den Jahren 2020-2023 auf rund 30 Prozent des Volumens belaufen und würde sich damit im Vergleich zu den Jahren 2009-2019 verdoppeln."
Potenzial für weiteres (nominales) Mietwachstum vorhanden
Der JLL-Spitzenmietpreisindex liegt zum Ende des Jahres bei 222,4 Punkten und weist gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt ein Plus von 2,0 Prozent auf. Beim Blick auf die Big 7 zeigen Stuttgart mit einem Plus von 4,1 Prozent und Hamburg mit 6,9 Prozent die stärksten Steigerungen im 12-Monatsvergleich. Und selbst in Berlin, wo sowohl Leerstand als auch Fertigstellungen zugelegt haben, zog die Spitzenmiete um 2,7 Prozent an. "Dies zeigt deutlich, dass trotz dieser Rahmenbedingungen und sinkender Nachfrage Mietwachstum möglich ist und es aufgrund des extrem niedrigen Angebots der Vorjahre eine Art Puffer gibt, der zumindest unmittelbare Mietpreisreaktionen auf Leerstandsanstiege abfedert und die Nominalmieten auf Kurs hält. Effektiv, d.h. nach Abzug von gewährten Incentives durch die Eigentümer, kann aber schon eine leichte Bewegung nach unten beobachtet werden", erläutert Kortmann. Viele Vermieter zeigten sich bereit, großzügigere Anreize als zuvor in Bezug auf mietfreie Zeiten oder Ausbauzuschüsse zu gewähren.
In 2021 dürfte der Mietpreisindex in der Aggregation über alle Big 7 um 1,5 Prozent weiter leicht steigen. "Wir erwarten in keiner Stadt Mietpreisrückgänge. Mittelfristig sehen wir überdies Potenzial für höhere Mieten, zumindest in den Büros, in denen im Zuge von Remote Working ein Mehr an Ausstattungsqualität eingefordert wird. Dieses Mehr an Qualität könnte die Bau- und Investitionskosten um bis zu 5 Prozent nach oben schrauben, ein Aspekt, der auch die Mieten beeinflussen würde", so Konstantin Kortmann abschließend.
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