ARD-Programmdirektor Struve verrät exklusiv in HÖRZU seine Pläne für ein Real-Life-TV-Format: "Wir verfahren nicht nach dem Strickmuster: Ein Wortschatz von 150 Wörtern und 14 tätowierte Oberarme"
Hamburg (ots)
Die letzten Wochen wurde in den Medien viel spekuliert, dann von den Verantwortlichen dementiert: Das als ARD-Real-Life-Format angekündigte "Schwarzwaldhaus" entpuppte sich letztlich als vierteilige Dokumentation. Doch damit ist das Thema einer "Big Brother"-Kopie im Ersten noch lange nicht vom Tisch. Im Interview mit dem Programm-Magazin HÖRZU verrät ARD-Programmdirektor Günter Struve exklusiv seine Pläne für ein Real-Life-Format. Struve: "Weil die Sendung außerhalb des Werberahmenprogramms nach 20 Uhr laufen soll, müssen wir nicht auf die ganz jungen Zuschauer schielen. Wir werden eher die höher gebildeten Schichten um die 50 ansprechen. Auch die interessieren sich für soziale Geschicklichkeitsspiele."
Das komplette Interview aus Heft 13 (EVT: 23. März 2001) ist als Vorabdruck beigefügt und unter Quellenangabe HÖRZU zur Veröffentlichung frei.
HÖRZU: Noch vor wenigen Wochen hat der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen Sendungen wie "Big Brother" in HÖRZU eine Abfuhr erteilt. Sind Sie jetzt doch schwach geworden?
Günter Struve: Nein, im Gegenteil: Das Format, das wir höchstwahrscheinlich anpacken werden, orientiert sich an Doku-Soaps wie den "Fussbroichs" und "Abnehmen in Essen". Vorbild sind Langzeitbeobachtungen von Menschen, die in ihrer realen Umwelt bleiben oder vor bestimmte, nicht containerartig zusammengefasste Aufgaben gestellt werden.
HÖRZU: Welche Aufgaben könnten das sein?
Günter Struve: Stellen Sie sich vor, wir würden zusammen mit unseren Bekannten auf eine Hallig verpflanzt werden und müssten dort einen Sommer lang durchkommen. Wir hätten kein fließendes Wasser oder müssten Schafe vor dem Hochwasser retten - eine Ausgangslage also, an die wir nicht gewöhnt sind. In dieser Situation könnte man beobachten, wie Menschen Fähigkeiten im sozialen oder handwerklichen Bereich entwickeln.
HÖRZU: Das ist doch künstlicher Alltag, also auch nicht viel anders als im Container...
Günter Struve: Natürlich gibt es überall, wo Kameras dabei sind, eine gewisse Künstlichkeit. Ohne ein dramaturgisches Element haben Sie außerdem die reine Langeweile am Pool wie im 'Girlscamp'. Aber gerade meine jüngeren ARD-Kollegen wollen - völlig berechtigt - ein pfiffiges Format entwickeln, das Menschen in einer ungewohnten Umgebung zeigt und dabei ohne das Proll-Image von RTL 2 auskommt. Also nicht nach dem Strickmuster: "Ein Wortschatz von 150 Wörtern und 14 tätowierte Oberarme".
HÖRZU: Es ist bekannt, dass Sie am liebsten "Taxi Orange" ins Erste geholt hätten. Der österreichische BB-Verschnitt spielt auf einem Kutscherhof und nicht im Container. Worin besteht der Unterschied?
Günter Struve: Die Kandidaten von "Taxi Orange" müssen sich in der realen Welt bewähren und sind vom ORF sehr sympathisch ausgewählt worden: nach sozialer Ausstrahlung nämlich und damit anders als bei "Big Brother". SAT.1 strahlt "Taxi Orange" ja in Kürze aus. Und ich glaube, auch die werden sehr viel härter und prolliger casten.
HÖRZU: Wann soll Ihr Real-Life-Format auf Sendung gehen?
Günter Struve: Das ist noch nicht entschieden, aber voraussichtlich in diesem oder im nächsten Jahr. Wenn es zustande kommt, würde es einmal pro Woche für etwa 30 bis 45 Minuten auf einem Unterhaltungssendeplatz laufen.
HÖRZU: Springen Sie da nicht auf einen Zug, der auch bei jüngeren Zuschauern längst abgefahren ist?
Günter Struve: Diesen Zug gibt es noch nicht, den versuchen wir aufs Gleis zu setzen. Weil die Sendung außerhalb des Werberahmenprogramms nach 20 Uhr laufen soll, müssen wir nicht auf die ganz jungen Zuschauer schielen. Wir werden eher die höher gebildeten Schichten um die 50 ansprechen. Auch die interessieren sich für soziale Geschicklichkeitsspiele.
Für weitere Informationen steht Ihnen Birgit Mertin zur Verfügung. Telefon: (040) 347-26522 E-Mail: bmertin@asv.de
Diese Presseinformation kann im Internet unter www.asv.de abgerufen werden.
Original-Content von: Axel Springer SE, übermittelt durch news aktuell