Nur nicht flügge werden
Dokumentation "Hotel Mama" über Erwachsene, die immer noch bei den Eltern leben
Mainz (ots)
Mittwoch, 19. September 2012, 21.05 Uhr
Erstausstrahlung
"Es ist wie sechs Stück Zucker im Kaffee", sagt der Familientherapeut Nahum Frenck. Wenn Kinder das Elternhaus nicht verlassen können oder sogar nach einem Auszug wieder dauerhaft zurückkommen, liege das oftmals an einem Übermaß an Liebe. Die Eltern freuen sich meist über die Rückkehr, für die Kinder sind die Bindungen an die Eltern meistens auch sehr eng, sie verheißen Vertrautheit und Sicherheit, selbst wenn oder gerade wenn die Beziehungen konfliktreich sind.
Es gibt immer mehr Erwachsene, die dauerhaft bei den Eltern leben oder die nur kurz auszogen, um wieder zurückzukehren und es sich im "Hotel Mama" gut gehen lassen. In der anglo-amerikanischen Kultur ist das Phänomen seit Längerem bekannt. Nun nimmt es auch in Europa rapide zu. In der Altersstufe der 18- bis 34-Jährigen leben heute 46 Prozent der Kinder bei den Eltern. Unter den 25- bis 34-Jährigen sind es immer noch beachtliche 26 Prozent, berichtet die Dokumentation "Hotel Mama" von Jacques de Charrière und Cédric Louis.
Oft sind Scheidungen oder andere schwerwiegende Lebensereignisse der Grund, manchmal finden die Kinder es auch einfach nur schön und angenehm. Ein "ewiges Kind", Romain, sagt im Film: "Ich weiß einfach nicht, was ich mit dem Leben anfangen soll!" Manchmal funktioniert das Zusammenleben gut, manchmal ist es spannungsgeladen. "Ich empfinde das als Scheitern. Die Rückkehr ins Elternhaus bedeutet, dass etwas im Leben schief gelaufen ist", sagt der geschiedene Stéphane. Aber wie und wann die "ewigen Kinder" ihr Leben in Angriff nehmen, wissen sie meist nicht. Weil sie nicht können, behaupten sie in der Regel.
Therapeuten meinen, dass dieses Verhalten häufig an einer mangelnden Abnabelung liegt, Kinder und Eltern haben Angst, was aus diesen Bindungen zum Elternhaus wird. "Wenn ein junger Mensch das Elternhaus verlässt, ist das wie der Start einer Raumfähre, er muss alle Energie in die Motoren stecken, um die Anziehungskraft der Familie zu überwinden und abheben zu können. Das ist ein schweres Manöver", erklärt Therapeut Frenck. Psychiater Marco Vanotti betont die Bedeutung, die das neue Phänomen für die Gesellschaft hat: "Diese jungen Menschen können sich nicht entfalten, das Leben geht an ihnen vorbei und macht sie zu Zuschauern in ihrem eigenen Leben. Die Gesellschaft verliert ihre Kraft und die Energie ihrer Jugend. Das ist ein beunruhigendes Zeichen."
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