Boutros Boutros-Ghali im 3sat-Gespräch: "Demokratie lässt sich nicht herbeibomben"
Mainz (ots)
Samstag, 5. April 2003, 19.20 Uhr - "Kulturzeit extra"
Erstausstrahlung
In "Kulturzeit extra" spricht der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Boutros Boutros-Ghali mit Stephan Merseburger und Kamran Safiarian über den Irak-Krieg, den Nahostkonflikt und die Zukunft der Vereinten Nationen. "Der Krieg gegen den Irak ist illegal. Er widerspricht der Charta der Vereinten Nationen", meint Boutros Boutros-Ghali. Eine Demokratie herbeizubomben sei blauäugig.
Boutros-Ghali, der von 1992 bis 1996 an der Spitze der Vereinten Nationen stand und dessen Wiederwahl am Veto der USA scheiterte, hofft, dass die Kriegsparteien die Weisheit besitzen, nach dem Ende des Krieges den Irak unter die Aufsicht der Vereinten Nationen zu stellen. Auch die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates sollte nach Meinung des Ägypters fundamental geändert und den realen Machtverhältnissen angepasst werden. Nichtregierungsorganisationen müssten in den Vereinten Nationen repräsentiert werden.
Nach den Motiven des Krieges befragt, meint Boutros-Ghali, das Öl im Irak sei sicherlich ein Anliegen der Amerikaner, aber nicht die Hauptmotivation für den Angriff. Vielmehr gehe es ihnen um eine Neuordnung der arabischen Welt. "Aber", so befürchtet Boutros-Ghali, "dieser Krieg wird den Terrorismus eher befördern und neue Bin Ladens hervorbringen." Ein Frieden mit der arabischen Welt sei ohne eine Lösung des Nahostkonflikts nicht möglich. Schon bald werde sich zeigen, ob die Amerikaner es ernst meinen, wenn sie einen palästinensischen Staat in Aussicht stellen. Nur Amerika könne das Nahostproblem lösen. Es müsse seinen außerordentlichen Einfluss auf Israel nutzen.
Boutros Boutros-Ghali wurde am 14. November 1922 in Kairo geboren. Er ist Kopte, das heißt Angehöriger der christlichen Minderheit Ägyptens, und mit der Tochter eines jüdischen Süßwarenfabrikanten verheiratet. Boutros-Ghali studierte Rechtswissenschaften an der Universität Kairo und an der Sorbonne in Paris. Später lehrte er internationales Recht an der Kairoer Universität und war Mitbegründer eines Wirtschaftsmagazins. Er diente 14 Jahre als Staatsminister im Außenministerium in Kairo und wurde von dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak zum Vize-Ministerpräsidenten ernannt. Von 1992 bis 1996 war Boutros-Ghali Generalsekretär der Vereinten Nationen.
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