PHOENIX-PROGRAMMHINWEIS
Mittwoch , 24. und Donnerstag, 25. Mai 2000
Ohnmacht und Anmaßung
Köln (ots)
Ohnmacht und Anmaßung Zweiteilige Dokumentation von Peter Scholl-Latour
Im Auftrag von PHOENIX hat der renommierte Publizist und Filmautor Peter Scholl-Latour vor Ort die Situation auf dem krisengeschüttelten Balkan analysiert. Zurück gekommen ist Scholl-Latour mit der zweiteiligen Dokumentation "Ohnmacht und Anmaßung".
Mittwoch, 24. Mai 2000, 21 bis 22.00 Uhr Teil 1. Bosnien: Die Schaffung von "Absurdistan"
Auf dem Boden des früheren Jugoslawien haben NATO und Europäische Union das Entstehen von künstlichen Staatswesen begünstigt, die wie Protektorate verwaltet werden. Im ersten Teil seiner Dokumentation befasst sich Peter Scholl-Latour zunächst mit Bosnien, das fünf Jahre nach dem Abkommen von Dayton in einer widernatürlichen Föderation zusammengepresst bleibt. Weder die Serben in den zerstückelten Territorien der "Republika Srpska" noch die Kroaten der Herzegowina, die ihre Anschlusspläne an die Republik von Zagreb weiterhin verfolgen, können Loyalität gegenüber der Bundesregierung von Sarajevo empfinden. Nachdem der Versuch einer Friedensstiftung durch die bunt gescheckte UNPROFOR-Truppe der Vereinten Nationen gescheitert war, haben die USA die Initiative in Bosnien an sich gerissen und die stärkste dort lebende Bevölkerungsgruppe, die "Muslimani", die man heute als "Bosniaken" bezeichnet, mit ihren kroatischen Kriegsgegnern in eine enge Föderation gezwungen. Die Kompetenzen, die der Österreicher Wolfgang Petritsch als "High Representative" einer "Internationalen Gemeinschaft", in Wirklichkeit als Vollstrecker der amerikanischen Weisungen, ausübt, gehen weit über die Vollmachten eines früheren Kolonialgouverneurs in Afrika oder Asien hinaus. Noch hat das geschundene Bosnien, dessen Kriegsfronten nicht durch ethnische, sondern durch konfessionelle Trennungslinien gezogen wurden, sich nicht von den Gräueln der Gemetzel erholt. Dieses Protektorat befindet sich weiterhin in einem Zustand politischer Lähmung. Doch keines der dort anstehenden Probleme hat auch nur den Ansatz einer Lösung gefunden.
Donnerstag, 25. Mai 2000, 21 bis 22.00 Uhr Teil 2. Kosovo: Die NATO in der Balkan-Falle
Kann man im Kosovo überhaupt von einem Sieg der NATO sprechen, fragt sich Scholl-Latour nach seinen Recherchen im Lande. Die Dritte serbische Armee hat sich ohne nennenswerte Verluste aus dem Amselfeld zurück gezogen. Wo früher die albanischen Kosovaren einer brutalen Unterdrückung und Vertreibung durch Belgrad ausgesetzt waren, sieht sich heute die noch verbliebene serbische Minderheit mörderischen Übergriffen durch die Albaner ausgeliefert. Die KFOR-Truppen, die als Triumphatoren ins Kosovo eingerückt waren, müssen heute zwei Drittel ihrer Soldaten zum Schutz dieser ethnischen Einsprengsel einsetzen und verfügen somit nur über eine sehr begrenzte Kampftauglichkeit im Ernstfall.
Als beachtenswerten Verhandlungserfolg des als Kriegsverbrecher angeklagten jugoslawischen Staatschefs Milosevic muss heute die UNO-Resolution 1244 angesehen werden, die die Verwaltung des Kosovo, sehr zum Missvergnügen Washingtons, den Vereinten Nationen zugewiesen hat. Deren Bevollmächtigter, der Franzose Bernard Kouchner, ist zwar ebenfalls mit den Vorrechten eines Alleinherrschers ausgestattet, verfügt aber mit der UNMIK nur über ein disparates und wirkungsloses Verwaltungsinstrument.
Da der Regierung von Belgrad zugestanden wurde, dass das Kosovo - zumindest theoretisch - Bestandteil der Jugoslawischen Föderation bleibt, ist der Konflikt mit den nach Unabhängigkeit strebenden Kosovo-Albanern programmiert. Die Befreiungsarmee UCK ist zwar offiziell entwaffnet worden, übt aber mit ihren im Untergrund agierenden, oft mafiösen Strukturen weiterhin die tatsächliche Macht aus.
Die USA haben mit ihrem Bollwerk "Bondsteel" eine gewaltige Militärbasis im Kosovo errichtet, über deren weitreichende Bedeutung viel gerätselt wird. Aber auch die Amerikaner konnten nicht verhindern, dass die albanische Aufstandsbewegung auf Randgebiete des benachbarten Serbien übergreift. Sollte den Kosovaren die ihnen zustehende Unabhängigkeit eines Tages dennoch gewährt werden, so stimmen die meisten Beobachter überein, dürften die groß-albanischen Tendenzen den Verfall der multi-ethnischen Republik Mazedonien bewirken. Die Gefahr eines sich ausweitenden Balkan-Krieges, wie auf die albanische Republik von Tirana und Montenegro, wäre dann real. Statt eine euro-atlantische Ordnung auf dem Balkan zu etablieren, könnte die unzeitgemäße Protektoratspraxis der westlichen Allianz sowie deren hektisch betriebene Ost-Erweiterung eine chaotische Konfliktsituation auslösen, der der Kontinent weder politisch noch militärisch gewachsen wäre.
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