PHOENIX PROGRAMMHINWEIS
Donnerstag, 25. Mai 2000
Köln (ots)
20.15 Uhr Schwerpunkt Pulverfass Balkan - Hat die Politik versagt?
Vor neun Jahren erklärten Slowenien und Kroatien die Unabhängigkeit ihrer Republiken und die Loslösung von Jugoslawien. Die Reaktion aus Belgrad folgte prompt: Nur wenige Stunden nach den Sezessionsbeschlüssen setzte die jugoslawische Bundesregierung die Volksarmee in Marsch, um "die Staatsgrenzen zu sichern". Panzer rollten auf Ljubljana zu. Der Vielvölkerstaat auf dem Balkan, der nach dem Tod seines Schöpfers Josip Broz Tito im Mai 1980 lange am Abgrund getaumelt hatte, stürzte nun kopfüber ins Chaos. 46 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Er machte in den folgenden neun Jahren mehrere Millionen Menschen zu Flüchtlingen und forderte Hunderttausende von Toten und Verletzten. Fünf Jahre nach Dayton sind Bosnien und auch der Kosovo alles andere als befriedet und der Balkan ist wieder ein Pulverfass. Gaby Dietzen diskutiert mit ihren Gästen die Frage: "Hat die Politik versagt?" An der Runde nehmen teil: Peter Scholl-Latour, Publizist, Helge Hansen, General a. D. und ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber Europa-Mitte, und Marie-Janine Calic, Balkanexpertin. Um mitzudiskutieren, wählen interessierte Zuschauer die Rufnummer: 01802-8217 oder Fax 01802-8213.
21.00 Uhr Ohnmacht und Anmaßung 2-teilige Dokumentation von Peter Scholl-Latour 2. Teil: Kosovo: Die NATO in der Balkan-Falle
Kann man im Kosovo überhaupt von einem Sieg der NATO sprechen, fragt sich Scholl-Latour nach seinen Recherchen im Lande. Die Dritte serbische Armee hat sich ohne nennenswerte Verluste aus dem Amselfeld zurück gezogen. Wo früher die albanischen Kosovaren einer brutalen Unterdrückung und Vertreibung durch Belgrad ausgesetzt waren, sieht sich heute die noch verbliebene serbische Minderheit mörderischen Übergriffen durch die Albaner ausgeliefert. Die KFOR-Truppen, die als Triumphatoren ins Kosovo eingerückt waren, müssen heute zwei Drittel ihrer Soldaten zum Schutz dieser ethnischen Einsprengsel einsetzen und verfügen somit nur über eine sehr begrenzte Kampftauglichkeit im Ernstfall.
Als beachtenswerten Verhandlungserfolg des als Kriegsverbrecher angeklagten jugoslawischen Staatschefs Milosevic muss heute die UNO-Resolution 1244 angesehen werden, die die Verwaltung des Kosovo, sehr zum Missvergnügen Washingtons, den Vereinten Nationen zugewiesen hat. Deren Bevollmächtigter, der Franzose Bernard Kouchner, ist zwar ebenfalls mit den Vorrechten eines Alleinherrschers ausgestattet, verfügt aber mit der UNMIK nur über ein disparates und wirkungsloses Verwaltungsinstrument.
Da der Regierung von Belgrad zugestanden wurde, dass das Kosovo - zumindest theoretisch - Bestandteil der Jugoslawischen Föderation bleibt, ist der Konflikt mit den nach Unabhängigkeit strebenden Kosovo-Albanern programmiert. Die Befreiungsarmee UCK ist zwar offiziell entwaffnet worden, übt aber mit ihren im Untergrund agierenden, oft mafiösen Strukturen weiterhin die tatsächliche Macht aus.
Die USA haben mit ihrem Bollwerk "Bondsteel" eine gewaltige Militärbasis im Kosovo errichtet, über deren weitreichende Bedeutung viel gerätselt wird. Aber auch die Amerikaner konnten nicht verhindern, dass die albanische Aufstandsbewegung auf Randgebiete des benachbarten Serbien übergreift. Sollte den Kosovaren die ihnen zustehende Unabhängigkeit eines Tages dennoch gewährt werden, so stimmen die meisten Beobachter überein, dürften die groß-albanischen Tendenzen den Verfall der multi-ethnischen Republik Mazedonien bewirken. Die Gefahr eines sich ausweitenden Balkan-Krieges, wie auf die albanische Republik von Tirana und Montenegro, wäre dann real. Statt eine euro-atlantische Ordnung auf dem Balkan zu etablieren, könnte die unzeitgemäße Protektoratspraxis der westlichen Allianz sowie deren hektisch betriebene Ost-Erweiterung eine chaotische Konfliktsituation auslösen, der der Kontinent weder politisch noch militärisch gewachsen wäre.
Im Anschluss an die Dokumentation ab 22.00 Uhr Diskussion mit Peter Scholl-Latour und den Gästen des Schwerpunktes über den Film.
Fotos sind abrufbar bei www.ard-foto.de und über OBS-Bildfunk
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