Phoenix - Programmhinweis
Sonntag, 26. November 2000
Bonn (ots)
Schauplatz Europa 18.45 Uhr Knochenarbeit Etwas Alltag zwischen Massengräbern
Wie hält sie das nur aus? Das ist die erste Frage, die man sich stellt, wenn man Ewa bei der Arbeit zuschaut. Im letzten Dezember zum Beispiel. Da stand sie in einer zugigen Fabrikhalle, gekleidet wie ein Marsmensch: zwei Thermoanzüge übereinander, zwei Paar Handschuhe, klobige Stiefel - minus 10 Grad.
Kurz vor Beginn des Friedens waren Ewa und ihr Team mit der Bergung der Opfer eines Massengrabes in einer Höhle irgendwo im Niemandsland zwischen der Föderation und dem serbischen Teil Bosniens fertig geworden. Äußerst mühsam war dieses Unternehmen. Es gab nur einen winzigen Brunnenschacht, der zu einer weit verzweigten unterirdischen Höhle führte. Dort unten: Knochenberge, Reste von Handgranaten, Kleidung, Schuhe. Alles musste zunächst genau markiert werden. Jetzt geht Ewa, Anthropologin, ihrer eigentlichen Aufgabe nach: Akribisch versucht sie, Skelette zusammen zu setzen, passende Kieferteile einander zuzuordnen, Schuhe und Kleidungsstücke zu säubern. Sie arbeitet hier zehn bis zwölf Stunden am Tag an einem rohen Holztisch, der nur durch Plastikplanen abgetrennt ist vom Rest der riesigen Halle, wo die rekonstruierten Körper auf Planen ausgelegt sind, in der Hoffnung, dass Angehörige kommen und sie identifizieren.
Ewa Elviara Klonowski, 52 Jahre alt, verheiratet, zwei halbwüchsige Kinder. Wohnhaft auf Island, aber seit drei Jahren fast ununterbrochen unterwegs auf den killing fields von Bosnien, immer dort, wo die Kommission für die Vermissten sie gerade braucht. Lange Zeit hat Ewa ohne einen Pfennig Geld gearbeitet. "Frauen, die ihre Männer vermissen, sind in die Halle gekommen, haben mir oft etwas zu essen gebracht. Wenn ich im Café aufstehe, ist mein Kaffee meistens schon bezahlt. Du kannst diese Arbeit nur tun, wenn du dich ganz auf dein Handwerk konzentrierst. Knochen sind dann eben Knochen, Zähne Zähne. Ein Puzzle. Aber irgendwann, wenn ich den Angehörigen gegenüber stehe, wenn sie mir die Fotos ihrer Männer zeigen, dann werden aus Knochen plötzlich wieder reale Menschen. Dann ist sehr viel Schmerz da, Mitleiden. Und ich weiß wieder ganz genau, warum ich hier bin - und wohl noch eine Weile bleiben werde." Bericht aus Bosnien von Ulrike Baur (2000)
Geheimnisse unserer Welt 4-teiligeReihe 20.15 Uhr Höllenfahrten 1. Teil: Titanic der Lüfte - Die letzte Fahrt der Hindenburg
Im Mittelpunkt der vier neuen "Höllenfahrten" stehen Menschen, die auf allzu dünnem Seil über dem Abgrund balancierten und wider aller Voraussicht festen Boden erreichten. Es sind Geschichten, in denen unsere Alpträume Wirklichkeit geworden sind. Sie gingen im wahrsten Sinne des Wortes durchs Fegefeuer: 64 Jahre nach dem Alptraum schildern der ehemalige Kabinenjunge Werner Franz und der Passagier Werner Doehner erstmals ihre traumatischen Erlebnisse bei der berühmtesten Tragödie der Luftfahrt. Es war die erste Live-Übertragung einer Katastrophe. Es war nicht irgend ein Unglück, sondern die wohl spektakulärste Katastrophe des technischen Zeitalters seit dem Untergang der Titanic.
Die dramatischen Bilder vom Sterben des riesigen Luftschiffs, vom Inferno explodierenden Wasserstoffs und dazu die schluchzende Stimme des entsetzten Radioreporters, sind noch heute im Bewusstsein der Menschen. Als der graue Riese Hindenburg 1936 beim Landeanflug in Lakehurst bei New York verbrannte, schwand auch die grenzenlose Begeisterung über eines der kühnsten Unternehmen der Menschheit, der Eroberung des Himmels. Im Mittelpunkt dieses Films steht die letzte Reise der größten Flugmaschine aller Zeiten, die mit Hilfe von Wochenschaubildern und Interviews in der bewährten Mischung aus Dokumentation und szenischer Rekonstruktion erzählt wird. Endlich wird die Jahrzehnte lang diskutierte Frage beantwortet, ob das "Wunder der Technik" Opfer von Sabotage oder von technischem Versagen war. Rückblenden ermöglichen Einblicke in die politische Lage Ende der dreißiger Jahre und die Entwicklungsgeschichte eines Erfinders namens Zeppelin.
Film von Peter Bardehle (2000) Fotos über www.ard-foto.de
PHOENIX-Highlights 21.00 Uhr Germany made in USA Wie US-Agenten Nachkriegsdeutschland steuerten
Schon zur Geburtsstunde der Bundesrepublik wurde die Bevölkerung Westdeutschlands gezielt auf pro-amerikanische Stimmung in einer Top Secret klassifizierten psychologischen Großkampagne der CIA und anderer US-Behörden getrimmt. Die Amerikaner warben zwischen Kriegsende und Mitte der 60er Jahre deutsche Verbündete an, um in offenen und verdeckten Operationen gezielt Deutschlands Kultur, Politik und Gesellschaft nachhaltig zu beeinflussen und zu prägen. Allein in den 50er Jahren finanzierten die USA mit rund 1 Mrd. US-Dollar pro Jahr ihre Gegenoffensive zur Sowjetpropaganda.
Diese Dokumentation ist quasi der Vaterschaftsprozess zur Zeugung der Bundesrepublik Deutschland vor 50 Jahren. Sie gewährt Einblick in Geheimakten und enthüllt mit Aussagen ehemaliger amerikanischer Geheimagenten und Topbeamten die Einzelheiten. In einem Exklusivinterview erläutert der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski erstmals die politischen Hintergründe und Anfänge dieser Deutschland-Offensive. Er gilt als einer ihrer geistigen Väter.
Wer waren die Amerikaner, die die junge Bundesrepublik prägten? Wer waren ihre deutschen Verbündeten, wie arbeiteten sie zusammen? Diese Dokumentation nennt Roß und Reiter in einem der spannendsten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Zum Beispiel die Kontakte des DGB mit der CIA; die Finanzierung namhafter deutscher Verlagshäuser durch die USA; die Rolle bekannter Meinungsforschungsinstitute sowie den Einfluss der Agenten auf Bundestagsbeschlüsse.
Film von Joachim Schröder
Schauplatz Deutschland 21.45 Uhr Die Ausräumer Menschen, Möbel, Abschiede
Frank Nicolaus kommt täglich in unterschiedlichste Berliner Wohnungen, seine Geschichten könnten Bücher füllen, meint er. "Meistens ist jemand gestorben, wenn wir gerufen werden." Dann bitten die Hinterbliebenen um eine besenreine Räumung der Wohnung. Die ist zu groß geworden, der zurück gebliebene Partner zieht ins Altersheim oder in eine kleinere Wohnung. Oder Verwandte lösen den Hausstand auf und behalten nur einen Teil, der Rest geht zum Sperrmüll. "Manche schmeißen rigoros alles weg, von der Zuckerdose über persönliche Erinnerungen, Fotoalben, teure Gemälde - andere können das nicht. Die alte Anrichte, die ausgediente Musiktruhe, an der man als Kind spielte und Platten hören durfte, alte Tischdecken, die an Feiertagen aufgelegt wurden: Erinnerungen."
Dirk Woitschik und sein Team müssen dann vor Ort im Akkord Fingerspitzengefühl beweisen. Marco, Harry und Dirk sollen in jeweils 7,5 Stunden zwischen 30 und 40 Kubikmeter Sperrmüll entsorgen. Die drei Männer vom Sperrmüll sehen Tränen, wenn sie kommen, hören wütendes Gezänk unter den Erben, erleben handgreifliche Streitereien in den Familien. Manche der Stücke gehen in die Presse, viele Möbel, Porzellan und andere Gebrauchsgegenstände sind aber noch gut in Schuss. Die werden sorgfältig abgebaut und im Gebrauchtwarenhaus ausgestellt und kostengünstig verkauft. Ein Besuch lohnt sich! Um 60 Prozent haben die Berliner Stadtreiniger das Sperrmüllaufkommen in der Stadt reduziert, seit sie das Gebrauchtwarenhaus vor drei Jahren eingerichtet haben.
Die Reportage erzählt Geschichten von Menschen, ihren Möbeln und ihrem Leben. Das Filmteam war zwei Wochen mit einer Mannschaft der Berliner Stadtreinigung unterwegs, schaute den Männern beim Räumen zu und erlebte mit, wie sie Möbel und Hausrat entsorgten - stumme Zeugen aus der Vergangenheit, jedes Teil mit einer Geschichte von den Menschen, denen es einmal gehörte. Film von Peter Schmidt (2000)
Rückfragen: PHOENIX Kommunikation, Telefon 0228/9584-193, Fax 0228/9584-198
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