Ostsee-Zeitung: Abwählen und Tee trinken - Kommentar zur Kongress-Wahl in den USA
Rostock (ots)
In den USA gärt offenbar eine wachsende Wut, weil "die da oben" nichts mehr gebacken kriegen, Politik gegen die Mehrheit machen oder die Dinge durch immer mehr Schulden nur noch verschlimmern. Ein Gefühl im übrigen, das auch Europa kennt. Die "Wut- Bürger" der "Dagegen-Republik", durch Statuspanik und Abstiegsängste aufgewühlt, sind auch bei uns Thema.
Solche Emotionen sind ein idealer Nährboden für gefühlige Populisten, die wie die "Tea Party" eine tolle Vergangenheit beschwören, die es bei genauerer Betrachtung nie gab. Analytiker wie Obama werden da rasch zum Prügelknaben der Verunsicherten, die wissen, was sie nicht wollen, aber nicht, was sie wollen, außer vielleicht: Abwählen und Tee trinken. Fakten interessieren da nicht mehr: Dass Obama die Steuern für Normalverdiener senkte, aber Steuersenkungen für die Superreichen zurückdrehen will, hält die Normalverdiener nicht davon ab, für die Reichen und deren Steuerprivilegien zu demonstrieren, die wieder das Defizit erhöhen, gegen das man dann erneut wutentbrannt demonstriert. Die Demokratie droht Amok zu laufen.
Der Stillstand, der mit dem Patt zwischen Legislative und Exekutive der US-Politik jetzt verschärft droht, kommt also nicht von ungefähr - er spiegelt die Orientierungslosigkeit einer desillusionierten Gesellschaft wider. Ob Obama nun die nächste Wahl noch gewinnen kann oder nicht, ist da fast egal - wenn dieser Zustand der Sprachlosigkeit nicht überwunden wird, wird es jedem neuen Präsidenten ähnlich ergehen und die Erosion der demokratischen Institutionen anhalten. Ob das der "Tea Party", die sich auf die US-Gründungsväter beruft, klar ist? Ob es ihr egal ist? Man weiß nicht, was schlimmer wäre.
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