Ostsee-Zeitung: Kommentar zur Folter in Syrien
Rostock (ots)
Es ist eine Enzyklopädie des Grauens, die die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gestern der Weltöffentlichkeit präsentierte: In syrischen Gefängnissen werden Zehntausende Menschen gefoltert - mit Elektroschocks, Schlägen, Schein-Hinrichtungen, Vergewaltigungen. Die perverse Fantasie der Kerkermeister kennt da keine Grenzen. Und der eskalierende Bürgerkrieg im Land sorgt dafür, dass in den syrischen Folterlagern die Zahl der Opfer immer weiter ansteigt. Human Rights Watch weiß natürlich, dass ein solcher Bericht in einer Phase, in der die Weltöffentlichkeit lauter denn je über eine Militärintervention gegen das Assad-Regime streitet, Wasser auf die Mühlen der Kriegsfalken sein kann. Um sich nicht instrumentalisieren zu lassen, hatte die Organistion daher auch über systematische Folter auf Seiten der bewaffneten Rebellen berichtet. Demnach verfügen die Aufständischen in der Protesthochburg Homs über eine eigene "Brigade von Henkern", die gefangenen Regierungssoldaten die Kehle durchschneiden, nachdem diese gefoltert wurden. Syrien zeigt drastisch, welch teuflische Spirale die Menschen vor allen in Bürgerkriegen zu Brutalität und blutiger Rache antreibt. Folter ist nichts anderes als Terror gegen menschliche Körper und Seelen. Dabei ist sie völkerrechtlich geächtet. Dennoch werden nicht nur in Syrien, sondern in mehr als 150 anderen Ländern Gefangene gemartert und gequält. Sogar von westlichen Rechtsstaaten wie den USA wurde das absolute Folterverbot im Zuge des Antiterror-Krieges gebrochen - ob in Guantánamo auf Kuba oder Abu Ghraib im Irak. Selbst Deutschland hat in diesem Krieg ohne klar abgegrenzten Feind gemeinsame Sache mit zumindest einem Folterstaat gemacht: ausgerechnet mit Syrien. 2001 wurde ein deutscher Islamist auf Betreiben des US-Geheimdienstes CIA in einen syrischen Kerker verschleppt und anschließend von deutschen Beamten verhört. Im Grunde war das nichts anderes als outgesourcete Folter, die der damalige BND-Chef Uhrlau salopp rechtfertigte: "In Syrien gelten und galten andere Grundrechtsstandards." Das sei schon immer so gewesen.
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