Ostsee-Zeitung: Ost und West kommen sich näher: Manche Vorurteile bleiben 25 Jahre nach dem Umbruch 1989 untersucht eine umfangreiche Allensbach-Studie: Wie haben sich die Menschen verändert?
Rostock (ots)
Rostock - Ost- und Westdeutsche unterscheiden sich in ihren Lebenszielen und privaten Wertvorstellungen kaum mehr voneinander, halten aber an ihren gegenseitigen Vorurteilen fest. Große Unterschiede bestehen weiter in der Beurteilung des politischen und wirtschaftlichen Systems. Das hat eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der OSTSEE-ZEITUNG in Zusammenarbeit mit 14 weiteren ostdeutschen Tageszeitungen ergeben. Die Studie aus Anlass des 25. Jahrestags der Friedlichen Revolution im Herbst 1989 und des Mauerfalls am 9. November 1989 ist eine der umfassendsten der vergangen Jahre. Große Übereinstimmung bei den Menschen in den alten und neuen Ländern, wenn es um die nötige Stabilität in ihrem Leben geht. Bei den vier wichtigsten Faktoren gibt es keine nennenswerten Unterschiede mehr: Ausreichend Geld (80 Prozent Ost/81 Prozent West), die eigene Familie (79/79), gute Freunde (63/66) und der eigene Partner (62/63). Der Ostdeutsche setzt bei der Absicherung darüber hinaus weiterhin stärker auf den Staat, während der Westdeutsche auf das Eigentum sowie Recht und Gesetz baut. Nur 41 Prozent der Ostdeutschen ist das Rechtssystem für ihre Sicherheit wichtig, aber 58 Prozent der Westdeutschen. Ähnlich sieht es bei den Sorgen aus. Die eigene Pflegebedürftigkeit treibt 61 Prozent der Ost- wie Westdeutschen um und wird im Osten nur von der Angst vor zunehmender Gewalt und Kriminalität um einen Prozentpunkt übertroffen. Der Westen ist in dieser Frage entspannter (52 Prozent). Insgesamt werden die ersten acht Sorgen-Plätze in Ost und West von der Renten-Sicherheit sowie von steigenden Preisen und Angaben sowie den möglichen Folgen dominiert. Große Unterschiede gibt es dagegen nach wie vor in der Beurteilung des wirtschaftlichen und politischen Systems. Während 74 Prozent der Westdeutschen die Demokratie als die beste Staatsform betrachten, teilen in Ostdeutschland nur 40 Prozent diese Auffassung. Beide Werte haben sich seit 1990 nur geringfügig verändert. Michael Sommer, Projektleiter bei Allensbach, spricht von "unbedingtem Vertrauen" in das politische System, das im Westen nach wie vor viel stärker sei. Die Ostdeutschen legten in diesem Punkt eine große Reserviertheit an den Tag. Auch das Freiheitsverständnis unterscheidet sich erheblich. Den Westdeutschen sind die Meinungsfreiheit, der Rechtsstaat, die freie Berufswahl und das Recht auf Eigentum deutlich wichtiger als den Ostdeutschen. Der Abstand beträgt jeweils zwischen 14 und 18 Prozentpunkten. Gehalten haben sich auch die Vorurteile. Der Ostdeutsche hält den "Wessi" nach wie vor für arrogant, geldgierig und egoistisch. Der Westdeutsche den "Ossi" vor allem für unzufrieden und misstrauisch. In ihrem Gesamturteil über die zurückliegenden 25 Jahre zeigt sich im Osten die "Wendegeneration" der 35- bis 59-Jährigen am zufriedensten. Für 65 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe ist die Entwicklung Deutschlands seit 1989 eine Erfolgsgeschichte. Die älteren und jüngeren Ostdeutschen sind lediglich zu 56 Prozent dieser Meinung. Generell sieht sich jeder zweite Ostdeutsche als Gewinner der Wende und ein knappes Viertel als Verlierer. Während sich die "Vorwendegeneration" der über 60-Jährigen zu einem großen Teil als Ostdeutsche bezeichnet (37 Prozent), nimmt der Anteil unter den Jüngeren zu, die sich als Deutsche oder Europäer sehen (60 bzw. neun Prozent der unter 29-Jährigen). Ein Umzug in die westlichen Bundesländer ist für die Jüngeren naheliegend. Vier von zehn haben sich mit diesem Gedanken schon getragen.
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