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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: KOMMENTAR Krise der SPD Sozialdemokratische Sonnenfinsternis FRANZ WALTER

Bielefeld (ots)

Es sieht finster für die Sozialdemokraten aus.
Als "Volkspartei" kann man sie mit gutem Gewissens kaum mehr 
bezeichnen. Schaut man auf die Kräfte- und Machtverhältnisse in den 
Regionen, so stellt man fest, dass in den fünf größten Bundsländern 
durchweg schwarz-gelbe Bündnisse den Takt vorgeben. Das sieht in der 
Tat nach einem tragfähigen Fundament für den Regierungswechsel in 
Richtung Merkel/Westerwelle aus.
Doch herrscht im Berliner Willy-Brandt-Haus nach wie vor die 
mittlerweile allerdings verzweifelte Hoffnung, dass alles noch mal so
kommen mag wie 2002 und 2005. In den Bundestagswahlkämpfen damals 
schien die SPD Monaten zuvor ebenfalls bereits hoffnungslos 
abgeschlagen zu sein. Dann aber begann die Aufholjagd. An diesem 
Strohhalm klammert man sich im SPD-Hauptquartier. 
Sozialwissenschaftler allerdings pflegen so etwas als "pathologisches
Lernen" zu charakterisieren. Denn nichts ist mehr so wie 2002 oder 
2005. Seinerzeit vermochte die virtuose Kampfnatur Schröder 
regelmäßig zwei Monate vor den Wahlen zurück in die Rolle des 
robusten Sozialstaatsverteidigers zu schlüpfen. Angela Merkel und 
Guido Westerwelle personifizierten in diesen Kampagnen die Bedrohung 
für den "kleinen Mann".
Aber wie wollen die Sozialdemokraten diese Methode ein drittes Mal 
anwenden? Sie haben Angela Merkel gewissermaßen gezähmt, für viele 
gar sozialdemokratisiert. Die Kanzlerin taugt nicht mehr als Buhfrau 
der sozialen Kälte. Und Guido Westerwelle - der als Buhmann wohl nach
wie vor aufzubauen wäre - darf ja Feindfigur nicht mehr sein, sondern
soll die Braut in der Koalitionsehe mit Liberalen wie Grünen geben. 
Die SPD befindet sich in einer Zwickmühle.
Die Schröder-Müntefering-Steinmeier-SPD hat den Sozialdemokraten 
alles genommen, weshalb Mitglieder und Aktivisten früher lange Zeit 
mit beeindruckendem Eifer bei der Sache waren. Die SPD der letzten 
zehn Jahre hat immer nur beflissen reagiert, auf Imperative und 
Interpretationen, die von anderen sozialen und politischen Kräften 
gesetzt wurden. Im Jahr 2004 agierte die SPD als übereifrige Partei 
entregelter Märkte und allein ökonomischer Rentabilitätskriterien, 
fünf Jahre danach definierte sie das Sozialdemokratische dann 
plötzlich als puren Staatskapitalismus.
Will die Generation nach Münte und den "Stones" eine Alternative zum 
"Merkelantismus" aufbauen, wird sie den Eigensinn und die 
Verlässlichkeit einer sozialen Demokratie wieder finden und beleben 
müssen. Opposition in Berlin mag Mist sein. Aber in den Bundesländern
eröffnet sie den Sozialdemokraten wieder die Möglichkeit, Regierungen
anzustreben, sich also regional zu regenerieren. Doch wird die 
Müntefering-Steinmeier-SPD alles versuchen, sich noch einmal in eine 
Große Koalition hineinzuretten. Man mag gar nicht ausdenken, wo die 
Partei dann im Jahr 2013 stehen wird.
Gastkommentator Franz Walter (53) ist Professor für Politische 
Wissenschaften an der Universität Göttingen. Er ist einer der 
bekanntesten Parteienforscher Deutschlands.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

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