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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: Merkels Neustart Farbe bekennen ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Bielefeld (ots)

Angela Merkel glänzt auch in ihrer zweiten
Amtszeit vor allem auf außenpolitischem Parkett. Das demonstrierte 
sie mit ihrer beeindruckenden Rede über die Kraft der Freiheit vor 
dem US-amerikanischen Kongress. Innenpolitisch läuft es hingegen 
nicht so gut.
Nicht nur, weil das Chaos bei Opel Merkel kalt erwischt hat und sie 
sich von begeisternden transatlantischen Höhenflügen plötzlich in die
Niederungen kleinteiligen Krisenmanagements begeben muss. Auch sonst 
holpert und stolpert Schwarz-Gelb. Es zeichnet sich jetzt schon ab, 
dass diese Koalition die Regierungschefin anders fordern wird als das
rot-schwarze Bündnis. Es wird nicht ausreichen, vor allem zu 
moderieren und zu vermitteln.
Angela Merkel wird stärker als bisher Farbe bekennen müssen. Schon 
weil der überaus vage Koalitionsvertrag mit seinen mehr als 80 
Prüfaufträgen nach einer ordnenden Hand geradezu schreit. Dass die 
frisch geschlossenen Vereinbarungen von CDU, FDP und CSU ganz 
unterschiedlich gedeutet werden, verheißt ansonsten eine 
konfliktträchtige Zukunft. Der Koalitionsvertrag ist ein Dokument der
Widersprüchlichkeit. Die Liberalen wollen am großen Reformrad drehen 
und streben neue Systeme im Steuerrecht und in der 
Krankenkassenfinanzierung an.
Was interessant klingen mag, schließt sich jedoch mitunter 
gegenseitig aus. Bei einer Kopfpauschale im Gesundheitswesen wäre der
milliardenschwere Sozialausgleich aus der Steuerkasse unbezahlbar - 
jedenfalls wenn man ab 2011 die Steuerlast jährlich um 24 Milliarden 
Euro senkt, was die Koalition ebenfalls anstrebt. Dass die 
Kopfpauschale deshalb nicht Wirklichkeit wird, erklärt der FDP 
momentan die CSU. Dass kein neues Steuersystem kommt und große 
Steuerentlastungen noch an der Klippe des Wörtchens "möglichst" 
scheitern können, verdeutlicht Finanzminister Wolfgang Schäuble. 
Merkel hält sich bei all diesen Fragen im Hintergrund.
Es wäre gut, wenn die Kanzlerin bei ihrer ersten Regierungserklärung 
am kommenden Dienstag die schwarz-gelben Widersprüche selbst 
entwirren würde. Und wenn sie die visionäre Kraft ihrer US-Rede auch 
auf Deutschlands Innenpolitik übertragen könnte. Immer noch 
überfällig ist es, den schönen Begriff der Bildungsrepublik mit 
konkreten Inhalten zu füllen. Bisher passt auch hier wenig zusammen.
Um die elementaren Ungleichheiten in der Bildungskarriere zu 
beseitigen, braucht es vorrangig kein halbgares Stipendiensystem und 
schon gar kein Betreuungsgeld. Dafür braucht es vielmehr eine 
finanziell ausreichende Ausstattung von Städten und Gemeinden. Denn 
gerade Kinder aus Unterschichtfamilien sind auf eine qualitätsvolle 
ganztägige Betreuung angewiesen - sei es in der Kita oder in der 
Schule. Überdimensionierte Steuerentlastungen bedrohen den Ausbau 
solcher Fundamente.
Merkel hat gesagt, dass sie die Kanzlerin aller Deutschen sein will. 
Auch an diesem richtigen Anspruch wird ihre erste Regierungserklärung
zu messen sein.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

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