Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Karl-Theodor zu Guttenberg Noch nicht kanzlerreif ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Kein anderer Bundesminister erregt die Gemüter so sehr wie Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Bevölkerung mag den medien-versierten Charismatiker. Für die Opposition ist der CSU-Mann ein rotes Tuch. Der Versuch, ihn wegen der Kunduz-Affäre straucheln zu sehen, ist bisher nach hinten losgegangen. Der von Grünen und Linken geäußerte Gedanke, dass ein weiterer Untersuchungsausschuss zu den aktuellen Ereignissen schlagkräftiger wäre, ist nicht stichhaltig. Im übrigen hatte bisher jeder Verteidigungsminister mit krassem Führungsversagen in der Bundeswehr zu kämpfen. Das ist keine Guttenbergsche Spezialität. Zudem hat das Parlament und hier vor allem der Verteidigungsausschuss schon sehr gute Arbeit geleistet. Auch ein Karl-Theodor zu Guttenberg macht grobe Fehler - diese notwendige Entzauberung ist bereits erfolgt. Das eine Kadettin auf einem Schulschiff zu Tode kommt und der Verteidigungsminister zwei Monate lang davon nichts erfährt, ist unfassbar. Dass ein Minister wichtige Entscheidungen zunächst einem Boulevardblatt mitteilt und nicht das Parlament informiert, zeugt von einer erschreckenden Geringschätzung gegenüber den gewählten Volksvertretern. Ein Minister sollte auch souveräner mit Kritik umgehen können. Es handelt sich dabei nicht um Majestätsbeleidigung. Da bei Guttenberg wegen seiner großen Beliebtheit jedes Verhalten immer auf seine Kanzlereignung hin abgeklopft wird, sei gesagt: Zur Kanzlerreife fehlt ihm noch etliches. Zweifellos bleibt aber richtig, dass er beträchtlich viel Talent besitzt. So hat er Mut bewiesen - als er vom "Krieg" in Afghanistan sprach und die Aussetzung der Wehrpflicht durchgesetzt hat. Wenn er jetzt noch lernt, sich um die Details in seinem Ministerium zu kümmern, Kritik ernst und sich selbst etwas weniger wichtig zu nehmen, darf man weiter auf ihn gespannt bleiben.
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