Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Deutsch-Chinesische Regierungskonsultationen Die Schattenseite ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Früher gab es die Symbolfigur des reichen Onkels aus Amerika, die ein Füllhorn voll materieller Segnungen über den alten Kontinent ausschüttete. Doch die Welt hat sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten gründlich geändert. Heute strengen sich die USA an, um eine Staatspleite abzuwenden und ihr größter Gläubiger ist China. Der reiche Verwandte kommt heute eindeutig aus dem Reich der Mitte. Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen ging es denn auch ein wenig zu wie bei einer Bescherung. Die Milliardenaufträge für die deutsche Wirtschaft purzelten nur so. Die Welthandelsmacht China setzt nicht mehr allein auf den Dollar, sie möchte im Euro-Raum stärker an Einfluss gewinnen. Deutschland wird von dieser Charmeoffensive profitieren. Trotz aller Euphorie über gefüllte Auftragsbücher darf aber nicht vergessen werden, dass die wachsende Abhängigkeit vom Handelsriesen China eine wesentliche Schattenseite besitzt. Mit dem Onkel aus Amerika teilte man stets auch Werte und Ideale. Mit China ist das nicht der Fall. Bei den Menschrechten hapert es trotz allem Handel und Wandel immer noch ganz erheblich. Während Wen Jiabao in Berlin weilt, wird beispielsweise in Peking der sudanesische Machthaber Omar-al-Baschir zum Staatsbesuch empfangen, der wegen Völkermords vom Haager Gerichtshof gesucht wird. Es ist gut, dass der Künstler Ai Wei Wei aus der Haft entlassen wurde. Und es ist auch gut, dass Kanzlerin Angela Merkel für ihn ein transparentes Verfahren fordert. Doch das reicht nicht. Es verschwinden auch viele unbekannte Dissidenten in den Gefängnissen. Und immer noch sitzt der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo hinter Gittern und seine Frau steht unter Hausarrest. Der Protest der Bundesregierung gegen solche empörenden Zustände hätte ruhig lauter ausfallen dürfen.
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