Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Britischer Journalismus am Pranger Rosskur nötig JOCHEN WITTMANN, LONDON
Bielefeld (ots)
Die Jagd nach der Schlagzeile und der Zwang zur exklusiven Story haben den Journalismus in Großbritannien pervertieren lassen. Die Murdoch-Presse, sei es das Massenblatt Sun oder die Schwesterzeitung News of the World, kannte wenig Gewissensbisse, wenn sie die Konkurrenz am Kiosk ausstechen wollte. Man setzte die dunklen Künste des Gewerbes ein. Sei es Täuschung, Fallenstellen, verdecktes Filmen oder der Einsatz von Lockspitzeln: Der Zweck heiligte die Mittel. Wenn sich ein Reporter als Scheich verkleidet, um die Herzogin von York hereinzulegen, die den Zugang zu ihrem Ex-Gatten Prinz Andrew meistbietend verhökern will, dann mag das vielleicht noch angehen. Aber das Anzapfen von Handys, wie es die News of the World anscheinend systematisch betrieben hat, ist einfach illegal. Und ebenso verstößt es gegen das Gesetz, Polizisten Schmiergelder zu zahlen, um an exklusive Informationen zu kommen. Wenn darüber hinaus auch das Telefon eines ermordeten Mädchens angezapft wird oder wenn Kriegswitwen und Terroropfer zum Ziel einer illegalen Abhöraktion werden, dann kann man nur noch von einem menschenverachtenden Gewerbe reden. Noch ermittelt die Polizei, ob nicht auch andere Zeitungen als die Murdoch-Presse sich des illegalen Abhörens schuldig gemacht haben. Was aber jetzt schon feststeht, ist, dass die gesamte Industrie eine Rosskur benötigt und klare Grenzen eines sauberen Journalismus ziehen muss.
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