Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Studienplatz-Chaos Stück aus dem Tollhaus BERNHARD HÄNEL
Bielefeld (ots)
Deutschlands einziger Rohstoff sind seine gut geförderten Kinder, bestunterrichtete Schüler und hervorragend qualifizierte Akademiker. Sie, ebenso wie Facharbeiter mit fundierter Ausbildung, können die Lücken schließen, die der demografische Wandel reißt. Gute Bildung hat eben auch einen ökonomischen Mehrwert. Darum kann die jüngste Prognose der Kultusministerkonferenz zuversichtlich stimmen. Die Studienanfängerzahlen steigen, ein Absinken unter das Niveau von 2010 ist mit 442.000 Studienanfängern frühestens im Jahr 2021 zu erwarten. Die Prognose stimmt hoffnungsvoll, die Realität aber sieht bitter aus. Seit 1972 ist die vom Grundgesetz garantierte Freiheit der Berufswahl eingeschränkt. Der Numerus Clausus, einst als Interimslösung eingeführt, ist zum Dauerzustand geworden. Studienplätze sind Mangelware, werden häufig doppelt und dreifach besetzt, statt zusätzliche Plätze und mehr Personal einzustellen. Dieser Ausbau aber blieb weitgehend aus. Zumindest für den doppelten Abiturjahrgang wurden zusätzliche Anstrengungen unternommen. Bitter notwendig für eine generation junger Menschen, denen mehr zugemutet als man ihnen abverlangen dürfte. Die neuen KMK-Prognosen aber weisen einen Mehrbedarf von über 7 Milliarden Euro allein für den Hochschulpakt II aus, der bis 2015 helfen soll, der großen Zahl von Studierwilligen ein Studium zu ermöglichen. Die Zeit der Übergangs- und Notlösungen muss vorbei sein. Auch wegen des ökonomischen Mehrwerts von Bildung. Darum ist es ein Stück aus dem Tollhaus, dass hierzulande nicht einmal die Verwaltung des Mangels klappt. Dass die Entwicklung einer Online-Studienplatzvergabe auch nach Jahren nicht programmiert werden konnte, ist ein Armutszeugnis. Erinnerungen werden wach an das Mautsystem Toll Collect.
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