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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Rot-Grün in NRW vor dem Aus Scheitern als Chance CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

So kann es kommen. Bis gestern Nachmittag waren in Düsseldorf noch alle der Meinung den Zank um den Haushalt routiniert bis zur dritten Lesung abwickeln zu können. Die rot-grüne Minderheitsregierung gab sich optimistisch, in der dritten, entscheidenden Lesung doch noch die eine oder andere Stimme aus der Opposition gewinnen zu können. CDU, FDP und Linke machten ihrerseits das, wozu eine Opposition da ist - opponieren. Sie versuchten für die eigene Klientel noch etwas rauszuholen, die Regierung unter Druck zu setzen. Vor allem aus der FDP gab es jedoch Signale, am Ende in Teilen tatsächlich doch noch mit der Minderheitsregierung zu stimmen. Haushalt und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wären gerettet. Und jetzt das: Die Landtagsverwaltung teilte ihre Rechtsauffassung mit, nach der schon das Ablehnen von Einzelposten des Haushaltes in der zweiten Lesung die Ablehnung des Gesamthaushaltes bedeutet. Ende der Regierung. Wenn diese juristische Auffassung Gültigkeit behält, hätten sich alle Beteiligten ohne es zu wollen in Neuwahlen manövriert oder zumindest in einen so nicht geplanten Regierungswechsel. Denn gestern Abend blieben der FDP ein paar Stunden, um sich doch noch offen auf Regierungsseite zu schlagen. Denn Neuwahlen kommen den Liberalen nicht gelegen. Binnen 60 Tagen verlassen sie nicht das Umfragetief von deutlich unter fünf Prozent. Ende der FDP im Landtag. Auch die CDU ist nicht auf Neuwahlen vorbereitet. Sie hat nicht mal einen Spitzenkandidaten. Landeschef und Bundesumweltminister Norbert Röttgen müsste schneller landespolitische Farbe bekennen als ihm lieb ist. Seine Berliner Karriere geriete in Gefahr. Zumal die Konservativen mangels kleinem Koalitionspartner kaum die Düsseldorfer Staatskanzlei erobern könnten. Ende eines persönlichen Traumes für Röttgen. Rot-Grün wäre zwar im ersten Zugriff gescheitert. Die Regierung hätte ihren Haushalt nicht durchs Parlament gebracht. Aber aus dem Scheitern könnte ein Sieg erwachsen. Denn es besteht die Chance, dass Neuwahlen für sie zu einer stabileren Mehrheit führt. Gewinner wäre das Land zwischen Weser und Rhein. Denn dauerhaft mit einer Minderheit zu regieren, widerspricht dem demokratischen Gedanken, der der Mehrheit verpflichtet ist. Eine Minderheitsregierung muss immer schachern. Wo das hinführt zeigt die derzeitige unübersichtliche Lage.

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