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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Einreiseverbot für Grass Israels Dilemma JOHANN VOLLMER

Bielefeld (ots)

Was immer Günter Grass bei seinem Gedicht "Was gesagt werden muss" geritten haben mag, an seiner Wirkung auf die Öffentlichkeit wird er nicht gezweifelt haben. Grass schreibt politische Verse und veröffentlicht sie nicht in einem seiner Spätwerke, sondern der größten überregionalen Tageszeitung. Hier will einer nicht nur einen kleinen Gedankenanstoß an der Nachttischkante geben, sondern aufrütteln und am Ende Zustimmung. So bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder hat Grass die harsche Kritik an seiner Einlassung zu Israels Atompolitik maßlos unterschätzt - oder aber ganz bewusst in Kauf genommen. Ersteres mag man dem Geschichtsdeuter und Medienprofi, dem politischen Literaten und literarischen Politkämpfer nicht recht abnehmen. Letzteres wäre dagegen ein poetisches Märtyrertum "mit letzter Tinte". Die Methode: Zum Karfreitag lässt er sich wissend um den reflexartigen Antisemitismusvorwurf von seinen Gegnern kreuzigen. Am Ostersonntag lassen ihn seine schärfsten Kritiker wieder auferstehen, indem sie Israels Einreiseverbot für den Literaturnobelpreisträger als nun doch überzogen ablehnen müssen. In Israel ist es so verstanden worden: ausgerechnet zum Pessachfest. Dort sieht man Grass als Vertreter eines antisemitischen Christentums. Das macht ihn angreifbar. Wenn Grass aber stellvertretend die Israelkritik auf sich nehmen wollte, um eine inhaltliche Debatte über die Haltung der israelischen Regierung zu ermöglichen, die in Deutschland bislang öffentlich unführbar ist, könnte ihm das gelungen sein. Israels heftige Reaktion ist mit einer vermeintlich antisemitischen Position eines Schriftstellers allein nicht zu erklären. Vielmehr wird fortan kein Säbelrasseln Israels gegen den Iran mehr unkommentiert durchgewinkt. Sollte Israel nun den Präventivschlag tatsächlich ausführen, würde das Grass nachträglich recht geben. Das ist das Dilemma Israels.

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