Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Milliardenhilfe für Spanien Riskantes Spiel RALPH SCHULZE, MADRID
Bielefeld (ots)
Spät, hoffentlich nicht zu spät, wird Spanien demnächst doch unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Weil der Staat es alleine nicht mehr schafft, seine maroden Banken zu stützen, die sich mit riskanten Immobilienoperationen verspekuliert haben. Geldhäuser, von denen viele ohne Milliardenspritzen in den Bankrott treiben könnten. Ein solches Bankenbeben, das ganz Europa erzittern lassen könnte, muss unter allen Umständen vermieden werden. Bis zuletzt hatte sich Spanien mit Händen und Füßen gesträubt, einer europäischen Rettungsaktion zuzustimmen. Weil das Königreich mit seinem übertriebenen Stolz fürchtete, als weiterer Pleitestaat mit Griechenland, Irland und Portugal in einen Topf geworfen zu werden. Erst nach heftigem Drängen der Euro-Gruppe gab die spanische Regierung nach. Unter der Bedingung, dass Spanien mit einer "sanften Rettung" und geringeren Auflagen rechnen und so das Gesicht wahren kann. Ob dieses Versteckspiel der Spanier hilfreich ist, wird man sehen. Kostbare Wochen verstrichen, das Misstrauen gegenüber Spanien wuchs und damit auch die Risikoprämien am Finanzmarkt, an dem sich Spanien derzeit nur zu Horrorzinsen frisches Geld beschaffen kann. Der milliardenschwere Notkredit des Euro-Rettungsfonds mit günstigen Zinsen soll dieses Problem lösen. Hoffentlich wird er das. Aber noch immer spielt Spanien in unverantwortlicher Weise auf Zeit, zögert die dringende Bankensanierung weiter hinaus. Weil es der konservativen Regierung, die übrigens erst seit sechs Monaten im Amt ist, schwerfällt einzugestehen, dass sie mit ihrem Latein am Ende ist. Und dass sie mit ihren Reformen gescheitert ist. Genaugenommen wurde an diesem Wochenende mit der Euro-Gruppe nur eine Absichtserklärung vereinbart. Die Euro-Retter sagten Spanien eine Kreditlinie in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro zu. Madrid versprach im Gegenzug, in den nächsten Wochen einen formellen Rettungsantrag zu stellen, und will bis dahin noch möglichst günstige Kreditbedingungen herausschlagen. Möglicherweise eine Milchmädchenrechnung: Denn am kommenden Sonntag wird in Griechenland gewählt. Je nach Ausgang dieser Zitterpartie könnte ein neues Erdbeben den Euroraum erschüttern, das die Position Spaniens weiter schwächen dürfte. Es bleibt also abzuwarten, ob die vereinbarte Rettungsoperation für die Banken geeignet ist, das Krisenland Spanien zu stabilisieren. Zumal nicht vergessen werden sollte, dass Spanien mehr beängstigende Probleme vor sich herschiebt als nur eine dramatische Bankenkrise. Der südeuropäische Euro-Staat krankt zudem an einer unkontrollierten Neuverschuldung, einer schrumpfenden Wirtschaft und einer immer weiter steigenden Massenarbeitslosigkeit. Auch wenn man es nicht gerne in Madrid hört, aber die nackten Zahlen an diesen Krisenfronten lesen sich nicht viel besser als jene Griechenlands. Und Besserung ist bisher nicht in Sicht.
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