Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Die Kanzlerin beendet ihren Urlaub Merkels Baustellen THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Das Wetter war wohl ganz gut in Südtirol. Und auch wenn der italienische Ministerpräsident Mario Monti mit seinem unverantwortlichen Geschwätz über ein Auseinanderbrechen Europas oder der in dieser Frage sehr ahnungslos wirkende bayerische Finanzminister Markus Söder von der CSU mit hanebüchenen Attacken auf die Griechen die Urlaubsstimmung ein wenig vergällten - die deutsche Regierungschefin wird sich hoffentlich erholt haben. Denn für die Kanzlerin, die am Montag in ihr Amt zum Regieren zurückkehrt, kommen jetzt harte Tage. In einem Monat schon urteilt das Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit des Euro-Rettungsschirms ESM. Sollten - was immerhin nicht ausgeschlossen scheint - die Richter die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung in dieser Sache noch einmal einschränken, steht die Kanzlerin vor den Trümmern ihrer bisherigen Europa-Politik. Auf dieser Europa-Kompetenz allerdings gründet bislang Merkels im Wahlvolk unangefochtene politische Führerschaft. Gerät sie unter Druck, hat das System Merkel ein Problem. Wie groß dieses Problem werden kann, deutete gestern die Einlassung des FDP-Fraktionschefs Rainer Brüderle an. Nahezu wortgleich mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel regte Brüderle eine Volksabstimmung über Europa an. Die Annäherungsversuche der Liberalen an SPD-kompatible Positionen ist auch bei ernsthafteren FDP-Vertretern als dem schleswig-holsteinischen Lautsprecher Wolfgang Kubicki kaum noch zu überhören. Aber auch unterhalb des wichtigsten Themas der Euro-Rettung wird die Kanzlerin alle Hände voll zu tun haben: Die von ihr proklamierte Energiewende ist nicht mehr so ehrgeizig vollziehbar, wie Merkel sie noch mit ihrem damaligen Minister Röttgen angekündigt hatte. Zusätzlich hat ihre Arbeitsministerin Ursula von der Leyen mit der Debatte um eine steuerfinanzierte Mindestrente ein Überraschungs-Ei ins politische Nest gelegt, an dem Teile der Union und die Wirtschaftsliberalen in der FDP kräftig schlucken müssen. Außerdem ist die Schwesterpartei CSU unter Ministerpräsident Horst Seehofer angesichts der eigenen 2013 bevorstehenden Landtagswahl zur unberechenbaren Bedrohung geworden. Und in Niedersachsen wackelt die schwarz-gelbe Mehrheit. Dagegen sind die Debatten, die die eigene Familienministerin Kristina Schröder zur Gleichstellung der Homosexuellen-Ehe nicht nur in der Union losgetreten hat, und auch die für die Kanzlerin eher ärgerliche Auseinandersetzung mit der SPD um Schweizer Steuerflüchtlinge eher harmloser Natur. Dazu schwächelt die Konjunktur, die Arbeitslosigkeit ist wieder leicht angestiegen, und die Organe der inneren Sicherheit sind in mehrfacher Hinsicht kopflos. Ein Berg von Herausforderungen also, der ab Montag auf Bundeskanzlerin Angela Merkel wartet. Aber wie lautet der stete Grundsatz aller Regierenden: Wenn es leicht wäre, könnten es ja auch andere.
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