Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Der Auftakt im NSU-Prozess Hohe Erwartungen HUBERTUS GÄRTNER
Bielefeld (ots)
Als der Tag endlich gekommen war, an dem der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier weiteren Beschuldigten der Prozess gemacht werden konnte, richteten sich die Kameras zuerst auf die Hauptangeklagte. Danach gab es Befangenheitsanträge, Beratungen und eine Vertagung. Eigentlich ist so etwas Alltag in deutschen Gerichten. Das rechtsstaatliche Verfahren ist dadurch nicht gefährdet. Doch dieses ist trotzdem ein besonderer Prozess. Zehn Morde konnten Rechtsterroristen in Deutschland begehen - jahrelang blieben sie wegen Ermittlungspannen unaufgeklärt. Das Faktum bleibt unfassbar. Es ist daher unerlässlich, noch einmal an die Hinterbliebenen der Opfer zu erinnern. Was haben sie nicht alles durchgemacht! Sie haben nicht nur ihre Liebsten durch grauenhafte, rassistisch motivierte Gewaltverbrechen verloren, sondern sie wurden anschließend sogar noch verdächtigt, selbst in mafiöse Strukturen eingebunden zu sein. Das war an Zynismus und Ungerechtigkeit nicht zu überbieten. Die Unzulänglichkeiten bei der Vergabe der Presseplätze setzten diese traurige Entwicklung noch fort. Es wundert nicht, wenn einzelne Hinterbliebene darüber nun den Glauben an die Gerechtigkeit verloren haben. Es ist mindestens ebenso verständlich, wenn sie nun vom Gericht die vollständige Aufklärung fordern. Trotzdem sind diese Erwartungen vielleicht etwas zu hoch. Sie sind - wenn überhaupt - nur von der Politik und den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu erfüllen. Aufgabe eines Strafprozesses ist es in erster Linie, die Schuld der Täter festzustellen und eine angemessene Strafe zu finden. Die Interessen der Opfer und Hinterbliebenen stehen dabei immer etwas zurück. Sie können aber erwarten, respektvoll und einfühlsam behandelt zu werden. Das ist in der Vergangenheit leider nicht immer der Fall gewesen.
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